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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens
Autoren: Christian Jacq
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erkennen und sie dementsprechend zu sichten und zu archivieren.«
    »Ich liebe Bücher und werde dort sehr glücklich sein«, versicherte Iker.
     
     
    Der Anubis-Tempel stand im Süden von Kahun in der Nähe der Stadtmauer und war nicht besonders groß. Das galt allerdings nicht für seine Bibliothek, eine angesehene Einrichtung, die regelmäßig von den gebildeten Stadtbewohnern aufgesucht wurde.
    Iker war begeistert von der Menge und der Güte der Papyrusrollen: Es gab literarische Texte, Gesetzbücher, medizinische und mathematische Abhandlungen sowie tiermedizinische Schriften. Die meisten Bücher stammten aus der Zeit der Pyramiden. Iker stellte fest, dass viel zu wenige davon in mehreren Abschriften vorhanden waren, was er gleich als Erstes zu ändern gedachte.
    Seine Zeit mit der Abschrift dieser Hieroglyphen zu verbringen, um sie für die Nachkommen mit neuem Leben zu erfüllen, machte Iker glücklich. Schnell und sicher glitt seine Hand über den erstklassigen Papyrus, von dem er mehrere Rollen bekommen hatte. Der Stadtvorsteher und Heremstaf waren wohl – vorausgesetzt sie steckten unter einer Decke – sehr zufrieden, ihn damit beschäftigt zu wissen.
    In der Nähe der Bibliothek hatte ein Töpfer seine Drehscheibe und seinen Brennofen. Anders als die meisten seiner Kollegen begnügte er sich nicht mit der Herstellung von gewöhnlichem Geschirr, sondern fertigte außergewöhnlich schöne Schalen und Becher an.
    »Für wen ist dieses Geschirr?«, fragte ihn Iker.
    »Für die Tempel in Kahun und in der ganzen Gegend.«
    »Warum hast du deine Werkstatt ausgerechnet hier?«
    »Weil Anubis der Schutzherr der Töpfer ist. Er herrscht über die kas aller Lebewesen und besitzt die wahre Stärke, die im Szepter von Abydos verkörpert ist. Nachts formt er den Vollmond, damit sich der Initiierte, so wie der Mond auch, immer wieder erneuert. Mit seiner silbernen Scheibe erleuchtet er die Gerechten. Und es ist auch Anubis, der die Sonne formt, diesen goldenen Stein, dessen Strahlen die Energie fließen lassen. Seine Geheimnisse werden in einer Truhe aus Akazienholz verwahrt, die kein Weltlicher öffnen kann.«
    »Befindet sich diese Truhe auch in Abydos?«
    »Abydos ist ein ganz besonders heiliger Ort.«
    »Warst du schon dort?«
    »Anubis hat mir offenbart, was ich wissen musste. Er allein ist mein Führer, und seine Entscheidungen sind für mich oberste Richtschnur.«
    »Dann hast du ihn also gesehen!«
    »Ich sehe die Sonne und den Mond, das Werk seiner Hände, und ich setze es fort. Das ist meine Aufgabe. Jeder muss selbst herausfinden, wozu er da ist.«
    Der Töpfer kehrte Iker den Rücken zu und fegte seinen Ofen aus, bevor er ihn neu anzündete.
    Nachdenklich ging Iker nach Hause, wo er von Sekari erwartet wurde, der gerade Wachteln briet.
    »Ich habe einen festen Riegel aus Sykomorenholz angebracht und die Haustür sicherer gemacht«, berichtete er. »Auf dem Markt habe ich mich bereits nach deinem Elfenbein-Amulett umgehört, aber bisher nichts in Erfahrung gebracht. Der Dieb ist wohl schlau und wartet ab, ehe er es zum Kauf anbietet.«
    »Und wenn er es für sich behalten will?«
    »Irgendwann wird er schon damit prahlen, dass er diesen Schatz besitzt! Wie wär’s mit Essen?«
    Iker stocherte auf seinem Teller herum.
    »Schmeckt es dir nicht?«
    »Doch, sehr gut sogar, aber ich habe keinen Hunger.«
    »Warum plagst du dich so? Nach allem, was ich so höre, hast du bereits einen ausgezeichneten Ruf! Und du machst als Schreiber von Kahun eine schöne Laufbahn, damit kannst du es weit bringen.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    »Jeder hat die eine oder andere Rechnung offen, aber irgendwann muss man einfach einen Schlussstrich unter die schlechten Zeiten machen, damit man die guten richtig genießen kann.«
    »Es gibt einen Punkt, an dem man nicht mehr umkehren kann, Sekari, und den habe ich überschritten.«
    »Wenn ich dir irgendwie helfen kann…«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Auf jeden Fall muss ich mich beim Zubereiten von Wachteln noch verbessern. Sie sind ein bisschen trocken geraten. In der Küche bin ich noch nicht ganz so gut. Und wenn du es wirklich mit dem Unglück aufnehmen willst, solltest du wenigstens gut genährt sein.«
     
     
    Als Iker sich auf den Rückweg in die Bibliothek des Anubis-Tempels machte, wo er eine Abhandlung über Augenheilkunde abschreiben wollte, musste er daran denken, was der Töpfer zu ihm gesagt hatte. Mit seinen Worten hatte er ihm einen anderen Zugang zur
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