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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens
Autoren: Christian Jacq
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Wirklichkeit eröffnet, die so viele Menschen erduldeten, ohne ihren verborgenen Sinn zu suchen. Es genügte nicht, die Hieroglyphen zu entziffern, ihr wörtlicher Sinn bedeutete nur den ersten Schritt. In diesen Zeichen, den Trägern der Macht, verbargen sich die Schöpfungskräfte. Bedeutete das nicht, er müsste, wenn er diesen Weg bis zu seinem Anfang zurückverfolgen wollte, nach Abydos reisen?
    Aber offenbar war Iker ein ganz anderes Schicksal bestimmt. Was nützte Abydos, wenn das Land in der Hand eines Gewaltherrschers war? Weil ihm dies bewusst war, durfte Iker nicht den Kopf in den Sand stecken und weiterhin wie ein Scheinheiliger leben.
    Ein Mann redete mit dem Töpfer.
    Zuerst sah ihn Iker, ohne ihn aber wirklich wahrzunehmen, und wäre beinahe einfach weitergegangen.
    Doch dann begann sein Gedächtnis zu arbeiten. Zweifelnd drehte sich Iker um und sah sich den Mann nun genauer an.
    Ein Irrtum war nicht möglich: Das war der falsche Wachmann, der ihn in der Nähe von Koptos verhört und dann vermeintlich tot in einem Papyrusdickicht im Schlangengau zurückgelassen hatte, nachdem er ihn halb totgeschlagen hatte.
    »He, du da, wer bist du?«
    Der Übeltäter drehte sich um. In seinem Blick spiegelte sich fassungslose Ungläubigkeit, in die sich bald Panik mischte – so schnell er konnte, lief er davon. Iker nahm die Verfolgung auf, wobei er sich auf seine Ausdauer verließ. Er konnte nicht ahnen, dass der Flüchtige wie eine Katze an einer Hauswand hinaufklettern würde. Von der Terrasse aus versuchte der Mann, Iker loszuwerden, indem er mit Ziegelsteinen nach ihm warf. Bis Iker schließlich die Terrasse erreicht hatte, war der Mann verschwunden.
     
     
    Zu Hause war niemand. Vermutlich verbrachte Sekari die Nacht mit einer seiner jüngsten Eroberungen. Er hatte aber frisches Brot, Gurkensalat und Bohnenmus für Iker angerichtet, ehe er gegangen war.
    Iker stand noch unter Schock und aß ohne Appetit.
    Bedeutete die Anwesenheit dieses Mannes in Kahun, dass er ihm die ganzen letzten Monate gefolgt war? Nein, das konnte nicht sein, weil er bei seinem Anblick so entsetzt war. Er hatte ihn ganz offensichtlich tot geglaubt. Aber was trieb er hier in dieser Stadt?
    Der Töpfer wusste vielleicht mehr darüber.
    Sofort ging Iker zurück in das Stadtviertel mit dem Anubis-Tempel. Da der Handwerker nicht in seiner Werkstatt war, fragte Iker die Nachbarn, ob sie wussten, wo er wohnte: Am Stadtrand von Kahun auf dem Land, bekam er zur Antwort. Dank einer genauen Wegbeschreibung hatte Iker ihn schnell gefunden.
    Der Töpfer grillte gerade ein Schweinskotelett.
    »Der Mann, mit dem du dich heute unterhalten hast und den ich verfolgt habe – kennst du ihn?«
    »Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.«
    »Was wollte er denn von dir?«
    »Er wollte, dass ich ihm etwas über die Stadt, die örtlichen Gepflogenheiten und einflussreiche Persönlichkeiten erzähle.«
    »Und was hast du ihm geantwortet?«
    »Dass Neugierige hier nicht gern gesehen sind. Da hat er mit irgendwelchen undurchsichtigen Erklärungen angefangen. Und dann bist du gekommen. Und jetzt würde ich gern in Ruhe und Frieden essen.«
    Iker ging auf einem mit Weiden gesäumten Uferweg an einem Kanal entlang in die Stadt zurück. Die Luft war mild, und es war angenehm ruhig.
    Der Überfall des falschen Wachmanns traf Iker völlig unvorbereitet. Der Angreifer warf ihm eine Lederschlinge um den Hals und zog sie brutal zu.
    Es war Iker unmöglich, auch nur einen Finger zwischen Leder und Hals zu bringen. Er versuchte zwar, den Angreifer mit einem Fußtritt aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber dies gelang ihm nicht. An Nahkampf gewöhnt, wich der andere Ikers letztem Versuch aus, sich zu wehren, indem er ihn an den Haaren packen wollte.
    Iker bekam keine Luft mehr, sein Hals brannte wie Feuer, und er würde sterben. Sein letzter Gedanke galt der jungen Priesterin.
    Plötzlich ließ der Schmerz etwas nach. Er hatte das Gefühl, wieder atmen zu können, und sank in die Knie. Ganz vorsichtig befühlte er mit den Händen seinen geschwollenen Hals.
    Dann ein Geräusch. Das Geräusch von einem Kopfsprung oder einem schweren Gegenstand, der ins Wasser geworfen wurde.
    Iker sah nur ganz verschwommen und konnte es kaum fassen, dass er noch am Leben war. Es dauerte einige Zeit, bis er endlich aufstehen und die Umgebung untersuchen konnte.
    Dieser Weg… Ja, das war der Weg, den er genommen hatte.
    Zu seinen Füßen entdeckte er die Lederschlinge. Aber keine Spur von dem
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