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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3
Autoren: Émile Zola
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Künstlers wirkt, im gleichen Maße wie irgendein anderes Bild, dessen Sujet ohne äußere Anregung allein seinen künstlerischen Absichten entsprungen wäre.
    Durchtränken jedes einzelnen Werkes mit der ganzen künstlerischen Eigenheit, mit allen Symptomen des persönlichen Stils – daran gemahnt die Art Zolas, tragen doch gerade seine Werke weithin den Stempel seiner Hand, ist sein Stil, seine Sprache, sein Bildgebrauch und seine Satzkonstruktion unverwechselbar, einmalig unter allen anderen großen Romanschriftstellern Frankreichs im 19. Jahrhundert. Aber die Nähe Rubens’ liegt nicht nur hierin. Immer wieder hat man Zolas glanzvolle Beschreibungen mit den kraftvollen Gemälden des berühmten Niederländers verglichen ob der Großzügigkeit ihrer Linienführung, der Sattheit ihrer Farben und der verwirrenden Erotik ihrer Metaphern.
    Doch für keinen Roman trifft dieser Vergleich in höherem Maße zu als für den »Bauch von Paris«, ist in ihm doch das Beschreiben der Dinge, der Sachwelt, seiner dienenden Rolle gegenüber dem menschlichen Geschehen entbunden, diesem gleichsam gleichberechtigt an die Seite gestellt worden. Dieser Roman war ein schriftstellerisches Experiment, zu dem sich Zola, durch unmittelbare Erlebnisse angeregt, verlocken ließ. In der ursprünglichen, auf zehn Bände berechneten Konzeption der Romanreihe war der »Bauch von Paris« gar nicht vorgesehen. Aber Lepelletier erzählt, daß Zola unter dem Einfluß der impressionistischen Malerkreise, in denen er damals verkehrte, und auch gedrängt von seinen eigenen ästhetischen Ansichten, auf die Hallen als literarisches Thema immer wieder verwiesen wurde. Er hatte schon in »Mes Haines« davon gesprochen, daß das erste beste Bund Möhren ein würdiges Objekt künstlerischer Gestaltung sein könnte, ebenso wie irgendein Misthaufen, vorausgesetzt, daß sie, von einem besonderen Lichtstrahl verklärt, dem Künstler eine neue, noch nicht dagewesene persönliche Darstellungsweise erlaubten. Und da er zum anderen, ähnlich wie Balzac, die Geschichte seiner Zeit, seiner Epoche, seiner Gesellschaft schreiben wollte, der moderne Mensch aber »Bahnhöfe, Dockanlagen, Theater und Krankenhäuser benötigte, wie der Zeitgenosse PhilippeAugustes Kathedralen und Klöster gefordert hatte«, »die meisten zeitgenössischen Künstler jedoch die inhärente Schönheit dieser jüngsten Kunst nicht zu sehen schienen«, mußte ihm, wie Lepelletier fortfährt, der Gedanke kommen, zunächst noch ganz unbestimmt und vage, bekämpft, erläutert, verworfen und schließlich doch gebilligt, ein Buch zu schreiben, worin eine ganz moderne Erscheinung, die Hallen, Schauplatz der Handlung und malerischer Rahmen zugleich wären, die Hallen, dieser im Ausmaß gewaltige, erst im Zweiten Kaiserreich neu angelegte zentrale Markt mit seinen acht großen Pavillons, dieser ganze moderne Zweckbau aus Eisen und Stahl und Blech und Glas, der Zola wie die Inkarnation der modernen, wissenschaftlich orientierten, positivistischen Generation des Industriezeitalters im Zeichen von Dampfmaschinen und Elektrizität erscheinen mußte.
    Der Gedanke selbst, ein Bauwerk als literarischen Vorwurf zu verwenden, war nicht neu. Schon Victor Hugo hatte in seinem Roman »NotreDame von Paris« die leblosen Steine der Kathedrale zu unheimlichem Leben erweckt, aber dies Beginnen schien nicht so abwegig, vermochte doch jede Rosette, jede Figur, jeder Pfeiler dieses vom romantischen Hauch vergangener Jahrhunderte umwehten ehrwürdigen Domes die Phantasie des Dichters zu beflügeln. Der Vorwurf dagegen, einen ganz trivialen Zweckbau mit dem Licht poetischer Verklärung zu umgeben, mußte wie eine Provokation gegen alle herkömmlichen ästhetischen Ideale wirken und die bewußte Parallele zu Victor Hugo zu einer doppelten Herausforderung werden. Nicht Versenken in die Vergangenheit, sondern glühende, drängende Gegenwart; kein »romantisches« Verklären, sondern eine peinlich genaue, durch sorgfältigste. Beobachtung und eifrigstes Studium der Örtlichkeiten gestützte Wiedergabe des Tatsächlichen – so stellte sich der Plan zumindest theoretisch dar.
    Aber auch ein Zola beschwor nicht ungestraft den großen Romantiker. Da dieses Bauwerk für Zola nicht einfach irgendein Sachkomplex war, durch dessen Schilderung er sein handwerkliches Können beweisen wollte, sondern als Verkörperung des satten, geruhsamen Kleinbürgertums zur Zeit des Zweiten Kaiserreiches gesehen und die Symbolisierung zur
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