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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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hielten sich dabei fest, aus Angst, sich zu verlieren.
    »Warum, Kathinka? Warum so schnell?«
    (Sie dachte: Er hat also auch nie damit
gerechnet, daß es ein Leben lang andauern könnte.)
    »Wollen wir warten, bis wir uns gegenseitig
anbrüllen — bis die Sympathie auch noch im Eimer ist? Bis wir alles
kaputtgemacht haben, was schön war?« Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände
und zwang ihn, sie anzuschauen. »Es ist das Vernünftigste so, glaub mir.«
    »Scheiß auf deine Vernunft. Ich hab’ dich lieb.«
    »Ja glaubst du denn, mir fällt es leicht?«
schrie sie ihn plötzlich an und ließ ihn stehen.
    Sie redeten noch hin und her. Es war zwei Uhr
früh, als er ging. Eine völlig idiotische Situation. Und so unlogisch. Wer
trennt sich schon freiwillig von dem liebsten Menschen, den er hat!? Übermorgen
würde er sie anrufen, und alles war wieder gut. Nein.
    Diesmal nicht. Sie gehörten beide nicht zu den
Menschen, die sich dramatische Abschiedsszenen vorspielten, weil das Vertragen
hinterher so schön war. Es war überhaupt nicht dramatisch zwischen ihnen zu
Ende gegangen, eher zärtlich.
    Aber es war zu Ende.
    Bastian ging zu Fuß durch die asphaltwarme,
geleerte Stadt. Ging an der Isar entlang mit ihren erleuchteten Brücken und
rauschenden Bäumen und schwarzen Häuser- und Kirchensilhouetten gegen einen
dunkelblauen Sternenhimmel.
    Am Deutschen Museum wartete noch eine Nutte auf
Kundschaft. Die Isar rauschte. Die Bäume rauschten. In der Ferne verbreitete
eine Funkwagensirene alarmierende Eile.
    An der Corneliusbrücke waren schon die Ampeln
ausgeschaltet. Ein Taxi raste hinüber. Manchmal krachte es nachts auf der
Kreuzung Ehrhardtstraße — Ecke Corneliusstraße.
    Wie jede Nacht, solange die Nächte noch warm
waren, saß Steckenpieseler-Schorsch auf seiner Bank in den Anlagen und
schnarchte zahnlos in seine Mantelaufschläge. Neben ihm lagen leere
Bierflaschen.
    Und die Bäume rauschten, und die Isar rauschte.
    Und die Isar-Enten schliefen auf der kleinen
Insel im Wasserbecken hinter der Brücke. Die breiten Wiesen am Fluß entlang —
tagsüber voller Kinder und Hunde und alter Frauen — waren jetzt schwarz. In den
Gebüschen pennten Wermutbrüder unter ihren Zeitungen.
    Bastian hatte sich hier wohl gefühlt. Er dachte an
Katharina, an die Abreise und daß der Sommer ja nun auch bald vorbei war.
    Und er heulte vor sich hin. Es sah ja keiner im
Dunkeln.
     
    Am nächsten Tag traf er Kaspar Hauswurz in
seiner Stammkneipe. Kaps war gerade dabei, aus seinem Kartoffelbrei einen Hügel
zu formen. Statt des Gipfels machte er in die Mitte ein Loch und löffelte Soße
von seiner sauren Leber hinein. Bastian setzte sich schweigend zu ihm.
    »Ist dir die Petersilie verhagelt?«
    »Petersilie — « griff Bastian auf. »Die müssen
wir auch anbauen. Wieso eigentlich Petersilie? Ich mag keine.«
    Kaps schaute ihm von unten her besorgt ins
Gesicht.
    »Hat dich was getreten, Junge?«
    »Kathinka macht nicht mit. Wir haben uns
getrennt.«
    »Ach du Schande.«
    »Es war ja klar, daß es nicht ewig halten würde
— aber — na ja. Ich komm’ mir vor wie amputiert, verstehst du? Ich war so an
sie gewöhnt.«
    Kaps nickte. »Ich hatte mal ‘n Hund...«Er brach
ab in der Annahme, schon alles gesagt zu haben. Dann schob er Bastian seinen
Teller zu. »Magst du?«
    Bastian schob ihm den Teller zurück. »Das
Gemansche kannst du behalten.«
    »Na schön«, sagte Kaspar und lud sich selbst
eine Gabel voll. Ehe er sie in den Mund schob, schaute er Bastian mit so viel
Zuversicht an. »Glaub mir: Andere Mütter haben auch noch hübsche Töchter.«
    »Im Augenblick bin ich bedient.«
    »Versteh’ ich. Macht ja nichts. Später haben sie
auch noch.«
    »Was?«
    »Töchter.«
    »Hör zu, Kaps, das mit den Ferkeln...«
    »Ja, das hab’ ich mir auch überlegt. Da warten
wir noch ein bißchen mit.« Er hauchte sich prüfend in die Handfläche, weil ihm
etwas an seinem Atem mißfiel. »Schon wegen der Finanzierung. Champignons sind
auch billiger.«
    Es bedurfte einiger Anfragen, bis Bastian
begriff, was Kaspar Hauswurz meinte: Er beabsichtigte, statt der Ferkel
Champignons in den Ställen zu züchten. Wie man das machte, wußte er zwar nicht,
würde es aber noch diese Woche erfahren. Er hatte Beziehungen zu einem
Champignonkulturenhersteller. »Und dann sind sie in der Haltung viel bequemer.
Für Schwammerl braucht man keine Futterrüben anzubauen. Ausmisten muß man sie
auch nicht.«
    Bastian schaute Kaspar mit wachsender
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