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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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auch keinen Job in München
verschaffen. Ich geh’ nun schon da runter. Ich hab’s mit Kaps abgesprochen. Die
Gegend soll landschaftlich sehr schön sein. Vor allem ruhig.« Wenn er mir jetzt
noch die Vorzüge der Landluft anpreist, haue ich, dachte Kathinka.
    Aber Bastian war schon wieder bei den Schweinen.
    »Rüben und Kartoffeln bauen wir selber an. Dann
kriegen wir noch die Abfälle vom Hotel.«
    »Ist denn eins in der Nähe?«
    Bastian, zuversichtlich: »Bestimmt.«
    »Wenn nicht, baut ihr eins an.«
    »Und ans Hotel verkaufen wir wieder unsere
Ferkel.« Katharina lachte. »Kann eigentlich gar nichts schiefgehen.«
    »Sag’ ich ja.«
    »Ich hoffe, du wirst mir ab und zu ein Schnitzel
schicken.«
    »Wieso schicken?« sagte Bastian. »Du kommst doch
mit.«
    »Ich?« Katharina zeigte sich ergötzt. »Ach nein
— wie lieb. Ich soll also mitmachen?«
    »Ja, natürlich. Glaubst du, ich geh’ jemals ohne
dich da hin?«
    »Als was braucht ihr mich denn? Als Rübenzüchter
oder als Ausmister?«
    »Mit den Ferkeln hast du nichts zu tun. Das wird
sowieso mal alles automatisiert.«
    »Aha.«
    Katharina hatte plötzlich Vorstellungen, die im
Stummfilmgalopp an ihren Augen vorüberzogen — mit ihr selbst als
Hauptdarstellerin. Süß schaute sie darin aus. Kopftuch bis zu den Augen,
verhärmtes Mienenspiel, Männerhemd, Männerstiefel, bis zum Knie voll Mist.
Krumm vom Schleppen. Klamme Finger.
     
    1. Akt:
    Vier Uhr dreißig Weckerklingeln.
    Rausgucken. Folgendes sehen: Einen Meter
Neuschnee. Stockdunkelheit. Eiszapfen.
    Öfen heizen.
    Herd anzünden.
    Kaffeetisch decken.
    Weg zum Hühnerstall schippen.
    Hühner füttern.
    Hühner rauslassen.
    Weg zum Schweinestall schippen.
    Schweinetröge saubermachen.
    Füttern.
    Koben ausmisten und neu streuen.
    Zurück in die Küche und Kaffee kochen.
    Eierkochen.
    Wasser zum Waschen erhitzen.
    Sechs Uhr fünfzig: Lehramtsanwärter Guthmann und
Lehramtsanwärter Hauswurz wecken.
    Ende des ersten Aktes.
     
    Aber mit den Schweinen sollte sie ja nichts zu
tun haben, hatte Bastian gesagt.
    Katharina fragte: »Wenn ich mich nicht um das
Viehzeug kümmern muß, was tu’ ich denn dann den ganzen Tag? Haushalt und
Gewürzgärtlein?«
    »Den Haushalt macht eine Frau aus dem Ort, die
kommt dreimal die Woche, das ist kein Problem. Ich dachte — wir dachten, du
eröffnest dort eine Landpraxis.«
    »Au ja«, sagte Kathinka, »das wird fein. Vor
allem im Winter, wenn ich nachts bei Eis und Schnee und Nebel mutterwindallein
über Land zu Patienten muß, zu Einödbauern! Und wenn ich dann eine Panne
habe...«
    »Ja, glaubst du denn, ich ließe dich allein in
der Finsternis fahren?«
    Schon wieder hatte Kathinka eine anschauliche
Vision: nächtlicher Schneesturm. Sie klebt mit der Nase an der Windschutzscheibe,
fährt blind in eine Schneewehe, sitzt fest. Neben ihr hängt Bastian über seinem
Sitz und schnarcht seinen Rausch aus, denn, bitte schön, was sollen der Kaps
und er in dieser gottverlassenen Einsamkeit abends anderes tun als saufen!?
»Also, ihr besorgt den Schulkram und die Landwirtschaft. Und ich unterbreche
meine Facharztausbildung hier in München und werde Landarzt. Vielleicht mache
ich noch ‘nen Abendkurs in Veterinärmedizin, damit ihr keinen Tierarzt braucht.
Stellt euch mal vor, was ihr spart, wenn ich eure Ferkel hole!«
    »Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht«,
sagte Bastian begeistert, »du bist wirklich ein Schatz!«
    »Ja, nicht wahr?« Sie hielt ihm ihr Glas hin,
damit er ihr noch Wein einschenken konnte. Dann sagte sie: »Ich find’s schon
sehr komisch.«
    »Was findest du komisch?«
    »Na, die Vorstellung — unser Landleben zu
dritt.«
    »Ich find’s dufte«, sagte Bastian.
    Kathinka sah ihn prüfend an. Hörte auf zu
lachen. Stellte ihr Glas ab und richtete sich auf. Die Heiterkeit ging so
allmählich auf ihrem Gesicht aus wie das Licht im Filmtheater.
    »Sag bloß, du hast den ganzen Zauber ernst
gemeint.« Bastian sah erstaunt aus. Ehrlich erstaunt.
    »Ja — an sich schon. Du nicht?«
    Jetzt stand Katharina auf und kam ihm auf seiner
Wanderung zwischen Tür und Fenster entgegen, stellte sich ihm in den Weg und
konnte es noch immer nicht glauben.
    »Du spinnst doch.« Ihre Stimme wurde laut vor
Wut. »Du hoffnungsloser Spinner!«
    »Und warum?« Er wurde jetzt auch wütend.
»Ständig heißt es, ich lass’ die Dinge laufen, ich kümmer’ mich um nichts. Und
wenn ich wirklich mal konkrete Zukunftspläne mache, bin ich ein Spinner.«
    »Du machst ja
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