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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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mehr in den Kram reden
kann.«
    »Wer hat dir denn jemals geredet — ha?« fragte
Großmutter beinah empört und rangierte einen Tassenkopf mit verkratzten
Blümchen ohne Henkel aus.
    Bastian stellte ihn wieder zurück. »Der kommt
mit. Da rühr’ ich meine Tütensuppen drin an.«
    »Dafür kannst du auch eine Tasse mit Henkel
nehmen«, sagte sie und rangierte ihn wieder aus.
    Bastian fühlte sein Blut schrill aufrauschen.
»Das Ding kommt mit, verstehst du???«
    »Warum?«
    »Weil ich dran hänge!«
    »An einem Tassenkopf ohne Henkel?«
    Er rang die Hände in Nasenhöhe. Und konnte sich
in diesem Augenblick vorstellen, wie das war, wenn man hysterisch war. »Daß ich
euch endlich loswerde! Dafür zieh’ ich gerne in den Wald. Da bin ich wenigstens
kein Pflegefall von Damen mehr.« Er pumpte seine Jeansbrust breit auf und
brüllte: »Ich kann mich ganz gut allein bewegen, kapiert ihr?«
    Großmutter hatte seinem dramatischen Ausbruch
interessiert zugeschaut. Jetzt lachte sie. »Ach du meine Güte. Deine Selbständigkeit! Eine Selbständigkeit, an der jeder Knopf fehlt.«
    »Na und, na und? Kommt es im Leben bloß auf
Knöpfe an?«
    »Bei Ostwind schon«, sagte Oma, »und bei den
Eltern deiner zukünftigen Schüler auch.«
    »Ja eben«, mischte sich Susi ein, »in der
Kleinstadt denkt man noch sehr konservativ.«
    »Ach, laßt mich doch in Ruh«, fuhr er sie an.
    Als Antwort zog Susi eine Flasche Sekt aus ihrer
Tasche und hielt sie ihm vor die zürnende Nase. »Mach sie auf, ja? Bitte.« Ihr
Lächeln war bezaubernd.
    Er nahm ihr die Flasche aus der Hand und
fummelte an ihrem Drahtverschluß. Susi stand dabei und sah ihm zu. Sah einmal
zu ihm auf und sagte: »Mir tut’s schon sehr leid, daß du fortgehst.«
    Bastian beschäftigte sich nur kurz mit ihrem
verblühenden Lächeln und dann wieder mit dem Draht des Flaschenverschlusses. Er
war abgebrochen. Wahrscheinlich brauchte er eine Zange. Sekt trank er sowieso
nicht gern.
    »Wir haben dir viel zu verdanken, Bastian.«
    »Krieg bloß keinen Sentimentalen!« warnte er.
    »Laß mich doch. Laß mich sentimental sein, ich
bin’s so gern in deinem Fall«, sagte Susi. »Schließlich haben wir dir alles zu
verdanken.«
    »Wer?«
    »Na, Kathrinchen und ich. Und Karli auch.«
    »Welcher Karli?« Er kam wirklich aus dem
Mustopf, aber das lag wohl daran, daß er sich eine Woche lang ausschließlich
mit seinem eigenen Schicksal beschäftigt und darüber die anderen vergessen
hatte. »Meinst du Klappzahn?«
    »Wir haben uns heute verlobt«, sagte Susi.
    »Beim Mittagessen.« Großmutters Freude darüber
entbehrte nicht einer gewissen genußvollen Bissigkeit. »Wer von meinen Enkeln
außer Karli würde sich wohl mittags verloben, wenn er abends berufliche Termine
hat.«
    Susi war enttäuscht: »Ach, Omi, wie du redest —
« und zog den Kopf ein, denn aus Bastians emsig arbeitenden Händen flog der
Korken haarscharf an ihr vorbei zur Küchendecke. Der Sekt strömte nach.
    Susi hielt ein Bierseidel unter, das sie gerade
einpacken wollte, Großmutter kam mit der Blümchentasse ohne Henkel. »Richtig
verlobt?« staunte er.
    »Ja.«
    »Warum?« Da war so ziemlich das Blödeste, was
Bastian fragen konnte.
    »Ich meine, ich dachte immer... Also das hätte
ich nie gedacht!«
    Er hatte gedacht, sein Bruder Karl würde eines
Tages ein betuchtes Mädchen aus »guter Familie« heiraten. Nun hatte er die Susi
im Auge, Susi ohne einen Floh in der Tasche, aber mit Baby. »Was sagt er denn
zu Kathrinchen?«
    »Er will sie adoptieren.«
    Bastian konnte es nicht fassen.
»Siebenundzwanzig Jahre lang kenn’ ich den Kerl als Streber und Spielverderber.
Plötzlich kriegt er sympathische Züge...«
    »Er liebt mich eben«, sagte Susi.
    So einfach war das also.
    »Wenn ich bedenke, wie eifersüchtig ich mal auf
die Freude war!«
    »Das ist ja nun vorbei«, sagte Bastian, einen
Seufzer zerdrückend.
    »Und wie ich verzweifelt war, weil uns keiner
haben wollte!« Susi genoß die Erinnerungen an traurige Zeiten, sobald sie
vorüber waren. »Und wie ich mir gewünscht habe, daß du Kathrinchens Uromi
wirst!« Sie gab Martha Guthmann einen Kuß. »Das Leben ist ja so schön.«
    »Mal ja, mal nein«, sagte Bastian, und dann
tranken sie auf Susi Schulzes momentanes glückliches Leben und auf Karli und
auf Bastians niederbayrische Zukunft.
    »Nun erzähl doch mal, Bub. Mir erzählst du ja
nie was, jedes Wort muß ich dir aus der Nase ziehen.«
    »Was bedrückt dich denn, Martha?«
    »Wo du da wohnen wirst.
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