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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe
Autoren: Martin Walser
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mind, please. Anna, siehst du nicht, daß ich ununterbrochen,  so  gut  wie  ununterbrochen,  nur  an  Beate  denken  kann.  Sie  beherrscht mich. Anna. 
Aber  da  er  ihr  nicht  sagen  konnte,  wie  es  in  ihm  zuging,  und  da  sie  nicht  in  ihn  hineinsehen  konnte,  saßen  sie  ein ander  gegenüber,  stumm,  leidend.  Allein  jeder,  aber  zu sammen  für  immer.  War  das  das  Gesetz?  Oder  das  Leben?  Ihr  Leben?  Kein  Tier  würde  sich  mit  einer  so  miesen  Kom munikation  abfinden.  Ein  Tier  würde  aussterben  oder  sich  entwickeln. Annas Augen zeigten weder Geduld noch Unge duld.  Annas  Augen  sind  das  Höchstmögliche.  Aber  diese  Augen  sahen  nichts,  das  waren  Augen  zum  Angeschaut werden, nicht zum Schauen. Oder wußte, fühlte, merkte, sah  sie  alles  und  wartete  auf  eine  alles  überschwemmende  Wörterflut?  Menschenpfusch,  Oder  war  nur  er  verpfuscht  und  alle  anderen  waren  fein  heraus,  lebten  mit  einander  in  vollkommener  Offenheit  und  erledigten  jede  allenfalls  auf tauchende, sich bilden wollende Störung durch glimpfliches  Verbalisieren?  Die  Bibel,  Denn  der  Mensch  sieht  auf  das,  was  vor  Augen  ist,  beutet  diesen  Evolutionspfusch  schamlos  aus.      1. Samuel 16:  Der  HERR  sieht auf das Herz.  
Seit  er  wußte,  daß  er  wieder  hinüber  mußte,  seit  sich  die  ThemireTagundNachtbilder  in  ihm  schärften  und  ihm  seine  Lebensversäumnisse  vorexerzierten,  wollte  er  Anna  etwas  melden,  was  er  in  Amerika  in  der  Zeitung  gelesen  hatte.  Eine  Liebesgeschichte.  Die  reinste  Liebesgeschichte  überhaupt.  Eine  Begebenheit,  die  alle  erfundenen  und  pas sierten Liebesbegebenheiten übertraf. Übertraf an Liebe. Eine  May  Hyatt  lag  seit  sechs  Jahren  bewußtlos  im  Pflegeheim.  Der  Verwaltungsangestellte  Mr.  Hyatt  besuchte  seine  Frau  zweimal in der Woche. Bei einem solchen Besuch erschoß er  seine Frau mit einer Pistole, danach tötete er sich durch einen  Kopfschuß.  Was  würde  Anna  dazu  sagen?  Könnte  sie  das,  wie er, für die reine Liebe halten? Und wo ist das Denkmal  für  John  und  May  Hyatt?  Es  müßte  das  höchsteschönste innigste  Denkmal  der  Welt  sein.  Das  Denkmal  für  den  einzigen Menschen, der je geliebt hat. 
Gottlieb hatte Angst. Nachts fühlte sich seine Angst an wie  eine große Geschwindigkeit, die einem den Atem verschlägt.  Möglich, daß Anna nichts wußte von dem, was in ihm tobte.  Ja,  tobte.  Selbst  wenn  Anna  alles  wüßte,  wüßte  sie  nichts.  Aber gestern kam sie, blieb in der Türöffnung stehen, bis er  zugab, daß er sie bemerkt hatte, hielt ihm beide Hände hin,  in jeder Hand eine Kammhälfte. Er mußte ergänzen: Ihr war  beim  Kämmen  der  Kamm  gebrochen.  Aber  weil  er  nichts  sagte,  mußte  sie  sagen,  was  er  hätte  sagen  sollen.  Was  bedeutet  das?  Sagte  sie.  Und  er  hatte  nur  das  Gesicht  verziehen  können,  eine  Schmerzgrimasse  produzieren.  Er  konnte  einfach  nicht  sagen,  was  sie,  ohne  daß  er  es  sagte,  wissen  mußte.  Und  das,  was  er  nicht  sagen  konnte,  wuchs  und wurde je länger um so unaussprechbarer. 
Aber  auch  wenn  er  Mr.  Hyatt  wäre,  Anna  war  nicht  be wußtlos.  Er  hatte  Angst.  Und  es  ewig  auf  den  Evolutions pfusch schieben, half auch nichts. Er hatte Angst. Innen und  außen,  so  unvereinbar  wie  noch  nie.  Er  konnte  nicht  mehr  liegen.  Wie  er  sich  auch  zu  legen  versuchte,  es  gelang  kein  Liegenbleiben. Also stand er nachts auf, ging hinunter, setzte  sich  in  seinen  Schreibtischstuhl  und  starrte.  Wenn  die  Unmöglichkeiten  zu  grell  wurden,  flüchtete  er  aufs  Papier.  Das tat er auch jetzt. So schrieb er sich hin: 
 
Morgen geh ich, fahr ich, 
morgen bin ich nicht mehr,                      wenn gefragt wird, ob ich,                       
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