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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe
Autoren: Martin Walser
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die  Frau  wollte  Einmaligkeit, jetzt muß er weg, ins Neue Leben. Als Gottlieb  endlich  einen  gefunden  gehabt  hatte,  dessen  Frau  wild  darauf  war,  das  alles  zu  besitzen,  hatte  Herr  Pöhlmann Gschrey  nicht  verkaufen  können.  Nichts  mehr  gesagt,  nur  noch  den  Kopf  geschüttelt  und  den  lästigen  Immobilien händler  samt  Interessentenpaar  hinausgewinkt.  Wäre  Herr  PöhlmannGschrey  nicht  leichenblaß  gewesen,  hätte  seine  zerbissene  Unterlippe  nicht  gezeigt,  daß  sie  gerade  noch  geblutet  hatte,  hätte  man  den  Vorvertrag  durch  die  Luft  schwenken  können.  Das  Neue  Leben  war  aus  Herrn  PöhlmannGschrey entflohen, vertrieben. Und bevor Gottlieb  und  das  Interessentenpaar  sich  fassen  konnten,  erschienen  aus  verschiedenen  Partien  des  dämmrigen  Wohnzimmers  drei,  vier,  fünf  Katzen  und  posierten  sich  um  Herrn  PöhlmannGschrey. Er hob die Arme wie ein Soldat, der sich  ergibt. Seine Hände berührten fast den roten Mantel des über  ihm  schwebenden  Engels.  Jetzt  bemerkte  Gottlieb,  daß  der  riesige Engel ein goldenes Schwert in der Rechten hatte. Kein  riesiges,  aber  durch  seinen  Goldglanz  Eindruck  machendes  Schwert.  Also  drehte  sich  Gottlieb  schroff  um.  Das  Interes sentenpaar folgte. Vom Interessentenpaar nachher kein Vor wurf.  Keine  Diskussion  über  das  Gesehene.  Gottlieb  hatte  sich  in  einer  an  Herrn  PöhlmannGschrey  anschließenden  Wortlosigkeit  verabschiedet.  Auf  der  Heimfahrt  hatte  er  gedacht,  daß  die  Katzen  das  Ausschlaggebende  gewesen  waren:  Die  hatten  Herrn  PöhlmannGschrey  den  Verkauf  verboten. Das konnte ihm nicht passieren. Er würde fahren.  Morgen.  Er  erlebte  ein  Gesetz:  Je  heftiger  du  dich  heim sehnst,  desto  größer  ist,  wenn  du  heimkommst,  die  Enttäu schung.  Nichts  entspricht  einander  so  innig  wie  Sehnsucht  und Enttäuschung. 
Aber  weil,  wenn  man  in  eine  Richtung  denkt,  die  Ge genrichtung  immer  auch  noch  existiert,  war  Gottlieb  am  nächsten Vormittag auf dem Weg in die Stadt, auf dem Weg  zur  Bank  und  hatte  die  vielen  Dollars,  die  unverbrauchten,  dabei. Umtauschen. Er würde umtauschen, als bliebe er hier.  Er  wird  nicht  hier  bleiben.  Aber  umtauschen  wird  er.  Wieviele  Personen  war  er  eigentlich!  Er  funktionierte.  Er  würde umtauschen. Und hier nicht bleiben. Niemals. Schon  auf  dem  Weg  zum  Bus  servierte  ihm  der  Zufall,  der  nichts  ausdrückt  als  das  wirkliche  Gesetz,  ein  Mädchen,  das  sechs  oder  sieben  Altgewordene  ausführte.  Ein  ungeheuer  langsamer Trupp. Lauter finster zerstörte, vom bösesten Leid  gezeichnete  Gesichter  und  wie  zur  Drohung  verschobene  Körper.  Weil  es  ein  wenig  aufwärts  ging,  mußte  das  Mäd chen  den  Trupp  halten  lassen,  zurückgehen  und  eine  win zige  Greisin  nachholen,  die  inzwischen  nicht  mehr  als  eins zwanzig  groß  war,  aber  eine  Tasche  umgehängt  hatte,  die  fast  genau  so  groß  war.  Gottlieb  hatte  schon  viel  zu  lange  hingesehen. 
Im Bus sah er, um sicher zu sein, nur noch auf seine Knie.  Kurz  bevor  er  sich  von  der  großen  Drehtür  in  die  Bank  hineinholen ließ, der Notarztwagen. Zwei Männer in greller  Berufskleidung schoben eine Tragbahre in den Wagen. Man  sah  nur  noch  die  Schuhe  des  auf  der  Bahre  Liegenden;  sie  starrten  komisch  in  die  Höhe.  Gottlieb  ging,  so  schnell  er,  ohne  als  rennend  aufzufallen −  hier  rannte  doch  längst  niemand  mehr −,  gehen  konnte,  zurück  zur  Bushaltestelle.  Zwanzig  Minuten  warten.  Was  ihm  da  alles  vorgeführt  werden würde! Er ging und, als er die Innenstadt hinter sich  hatte, rannte eher als er ging nach Hause. 
Sein Schreibtischstuhl war sein Asyl. Saß und blieb sitzen.  Die  tägliche  Versuchung,  sitzen  zu  bleiben,  in  die  Ecke  zu  starren,  sich  nicht  mehr  zu  rühren.  Darauf 
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