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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat
Autoren: Brian W. Aldiss
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ich fünfzehn, sechzehn war, hatte ich insgeheim an die Richtigkeit der Theorie von der Seelenwanderung geglaubt. O Gott, mach, daß ich früher nicht Jesus gewesen bin! Ich beendete meine Kreuzigungspose und schnitt mir selbst Grimassen.
    Die Frauen bei der Party konnten Sie allesamt vergessen, bis auf Valerie, Henrietta Crane und Sylvia. Valerie war Nelsons Aktionsgebiet, demnach blieben Henrietta Crane und Sylvia übrig. Es mag Ihnen zeigen, wie verzweifelt meine Lage war, daß ich noch nicht einmal Henrietta Crane von Anfang an zu den Akten legte! Das Rätsel war Mitte zwanzig – etwa fünf Jahre älter als ich. Ein Mädchen mit stark gepudertem Teint, oder kam es vielleicht daher, daß sie nie richtig abgestaubt worden war? Es schien, als wären ihre Kleider, ihr Fleisch, ihr Haar, ihre Augen, alles aus einem vielseitig verwendbaren Material hergestellt worden – aus altem, feuchtem Biskuitteig. Selbst ich, trotz regelmäßiger Übungsnummern, konnte mir nicht vorstellen, daß sie sich auszog oder ihr Haar löste. Rannte sie einem Autobus nach, furzte sie, oder brach sie auch einmal in schallendes Gelächter aus? Henrietta Crane war jener Typ Mädchen, an das man sich nicht auf Tuchfühlung heranpirschen mußte, um zu erfah ren, daß ihr Atem nach Kensita-Zigaretten und nach Magnesiamilch roch. Gott sei Dank trifft man solche Mädchen nicht mehr. Sie wurden nach Kriegsende alle auf den Schrott geworfen.
    Wodurch Syl übrig blieb. Als die Party in ihre heiße Phase trat, das heißt, sich etwa der Raumtemperatur näherte, bediente Ann unser Grammophon, legte eine Carroll-Gibbons-Aufnahme von »That Old Black Magic« auf, und Sylvia stand neben ihr und summte die Melodie mit. Es war ein aufziehbares Grammophon, das aus dem Luftschutzbunker hervorgeholt worden war, nun da wir keine Luftangriffe mehr zu überstehen hatten, so daß sie beide nötig waren, um es aufzuziehen und die Schallplatten zu wechseln. Ich strich um die kleine Gruppe herum und beteiligte mich hier und da an der allgemeinen Unterhaltung, während ich von Sylvias Summen angelockt wurde.
    Ihr Hinterteil rotierte bis etwa zehn Uhr, dann schwang es im Gegenuhrzeigersinn zurück bis halb drei, um dann wieder mit der Runde zu beginnen. Da sie stets mehr Gewicht auf ein Bein verlagerte als auf das andere, arbeiteten ihre beiden Gesäßhälften nicht ganz synchron: Die linke bewegte sich zu Carroll Gibbons, während die rechte sich nach einer eigenen, wilderen Melodie richtete. Was für ein Anblick! Ich konnte spüren, wie mein Puls richtig schlaff und matschig wurde. Scheiß drauf, ich mußte heute abend noch unbedingt zum Zuge kommen – morgen, Gott allein wußte, was morgen passieren würde! Mein Magen gab einen schwachen Jammerlaut von sich bei dem Gedanken an morgen … Wenigstens konnte Syl sich bewegen, im Gegensatz zu Henrietta Crane. Syl war klein und sah ziemlich schlau aus, aber auf keinen Fall so altertümlich wie »Das Rätsel«. Brustschwellungen waren unter dem blauen Kleid zu sehen, obgleich sie nicht genau mit den in das Kleid eingenähten Brustaussparungen übereinstimmten. Sicherlich handelte es sich um ein älteres Kleid ihrer Mutter, das entsprechend geändert worden war. Ich hatte Syls Mutter einmal kennengelernt, aber dadurch ließ ich mich von nichts abhalten. Ich lächelte, sie lächelte, wobei sie immer noch ihre Gesäßhälften einladend rotieren ließ. Vielleicht rotierten sie aber auch von selbst.
    »Dann bist du also bald weg, Horatio?«
    »Der Krieg dauert einfach zu lange. Am Ende hatte das Kriegsministerium auch Verlangen nach mir.«
    »Wie siehst du denn in Uniform aus? Ich wette, hinreißend. Herausgeputzt für den großen Auftritt.«
    »Würde es dir denn gefallen, mich in gar nichts zu sehen?«
    »Was meinst du?«
    »Entblättert für den großen Auftritt.«
    »Oh, da haben wir aber einen von der ganz schnellen Truppe!« sagte sie zu Ann.
    Vater war gerade nicht da, darum reichte die Geschäftigkeit und Wachsamkeit meiner Mutter für zwei. Sie kam mit einem Glas in der Hand zu uns herübergeschlendert. »Nun, mein kleiner großer Soldat, du darfst Syl nicht den ganzen Abend mit Beschlag belegen!«
    »Ich bin doch gerade erst gekommen.«
    »Geh herum – und kämm dir mal ordentlich die Haare zurück. Wenn sie dir so wie jetzt ins Gesicht hängen, siehst du ziemlich dämlich aus!«
    All diese familiären Nettigkeiten wurden mit gedämpfter Stimme ausgetauscht.
    Wenn sie meine Neigung überging, auszusehen wie Robert
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