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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat
Autoren: Brian W. Aldiss
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Leben noch nicht gearbeitet, Jock!«
    »Woher willst du das wissen, Mann? Ich habe allen neue Uniformen besorgt.«
    »Seht zu, daß ihr euch abtrocknet, Freunde«, sagte der Sergeant. »Stellt euch in einer Reihe auf, damit ich bei euch maßnehmen kann.«
    Während wir Blusen, Hosen und Stiefel anprobierten, erzählte er uns die letzten Neuigkeiten. Am Morgen dieses Tages war in Europa die zweite Front eröffnet worden. Ein Brückenkopf war am Strand der Normandie gebildet worden, und die Briten und Amerikaner strömten aufs Festland.
    Es war der 6. Juni 1944. Wir hatten das Datum und die Jahreszeit völlig vergessen.
    Sogar diese furchtbare Zeit des Kämpfens war mir irgendwie wertvoll: weil sie nicht ewig dauern würde. Genauso wie die Städte war der Dschungel etwas, das in mein Leben trat und irgendwann wieder daraus verschwinden würde.
    Plötzlich kam mir die Erleuchtung – ich hatte eine unerschöpfliche Fähigkeit, glücklich zu sein! Ich war wirklich ein Teufelskerl!
    Meine gehobene Stimmung dauerte den ganzen restlichen Tag über an. Frisch eingekleidet marschierten wir einen Kilometer die Straße hinunter zu einem Behelfslager, wo wir unsere Gewehre und Maschinenpistolen in heißem Wasser auskochten und die Schlösser reinigten. Schon am nächsten Morgen würden wir weiterziehen. Aber McGuffie fuhr noch am Abend mit seinem Lkw nach Kohima und holte Rum für uns. Wir saßen auf der Ladefläche und unterhielten uns.
    Ich hörte Aylmer vorbeihumpeln und immer noch seine rührende Liedzeile singen: »Könnt’ ich dich vor mir stehen sehn …«
    »Möchtest du keinen Rum, Kumpel?« fragte ihn Jock.
    »Woher hast du den?« fragte Aylmer. »Hast du ihn geklaut?«
    »Meinem Bauch geht es nicht allzu gut – ganz schön beschissen, um genau zu sein. Ich brauchte etwas dafür, und dieses Zeug hat tatsächlich gewirkt. Stubby hatte die gleichen Beschwerden, und ihm geht es jetzt schon viel besser, nicht wahr, Stubby?«
    »Hast du ihn geklaut?«
    »Blödsinnige Frage! Dieser verdammte Rum sollte euch Heinis zum Aradura gebracht werden, wenn du es genau wissen willst, aber wir haben es nicht geschafft, ihn dorthin zu bringen; daher nahm ich ihn unter meine Fittiche. Du hättest es doch sicher nicht gern gesehen, wenn die Maultiere den Stoff gesoffen hätten, oder? Jetzt biete ich ihn dir an.«
    »Du kannst ihn behalten, Jock«, sagte Aylmer ruhig.
    Jock lachte. »Was ist denn mit dir los?«
    »Wir sind nur stolz, Jock, mehr nicht.«
    »Stolz darauf, daß ihr verdammt nochmal nicht getötet wurdet?«
    »Hau ab und klopf dir von mir aus selbst auf die Schulter, Jock! Wir haben die verdammte Schlacht gewonnen, oder etwa nicht?«
    »Dieser beschissene Burma-Feldzug hat gerade erst angefangen, ist dir das klar? In sechs Monaten sind wir wahrscheinlich alle tot. Was meinst du, wie viele Jahre es wohl dauert, die Japaner aus diesen unzähligen Bergen zu verjagen?«
    Plötzlich fühlte ich mich nur unendlich müde. Joke war nicht mit uns zusammen gewesen und verstand überhaupt nichts.
    Etwas leiser fragte er mich: »Wie viele beschissene Jahre dauert es wohl, um diese verfluchten Japse aus dieser gottverlassenen Gegend zu vertreiben? Ich frage dich, Mann, ich frage nur. Du bist schließlich der gottverdammte Soldat.«
    Es hatte keinen Sinn, darauf eine Antwort zu geben. »Jock, ich weiß, daß ich dich das schon mal gefragt habe, aber was warst du eigentlich im zivilen Leben?«
    »Ach, Mann, ich war Kellner. Ich dachte, das hätte ich dir bereits erzählt.«
    Damals kam mir das ziemlich lächerlich vor. »Entschuldige, daß ich lache, Jock – aber ich bin ziemlich angeschlagen. Ich glaube, ich sollte mich aufs Ohr hauen.«
    »Man lernt eine ganze Menge, wenn man Kellner ist, weißt du? Ich habe schon bedient, als du noch in die Schule gingst.«
    »Sicher, Jock, ich weiß. Ich hab’ dich ja auch nicht ausgelacht, ehrlich! Weißt du, daß mein Kumpel Geordie auf dem Aradura einen schlimmen Treffer abbekommen hat?«
    Er klopfte mir auf die Schulter. »Laß dich davon nicht unterkriegen!«
    »Wahrscheinlich ist er längst tot.«
    »Das sind viele andere auch. Und jetzt komm um Gottes willen und trink einen Schluck geklauten Rum und red von etwas Angenehmerem.«
    Bei der nächsten Gelegenheit verabschiedete ich mich von ihm. Für Jock würde ich noch genügend Zeit haben, später. Erst einmal würde ich mich ausschlafen und im stillen feiern, daß ich noch am Leben war. Mein ausgeprägtes Gefühl für persönliche Freiheit
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