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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat
Autoren: Brian W. Aldiss
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ersteigen. Das schafften wir bei strömendem Regen. Ich hatte damals sechs verschiedene Arten von Durchfall, und jeder von uns war auf Grund von allgemeiner Erschöpfung, Krankheit oder Dschungelgeschwüren vollkommen fertig.
    Wir wußten, daß heftige Kämpfe auf uns warteten, wenn wir die Spitze des Berges erreicht hätten, aber der Dschungel war so dicht, daß man den Arsch nicht von seinem Ellbogen unterscheiden konnte. Man konnte we der vorne noch hinten noch seitlich irgend etwas erkennen. Mächtige Bäume ragten über uns auf. Das Funkgerät funktionierte nicht, daher waren wir von den Royal Berks wie abgeschnitten, die sich irgendwo in unserer Flanke befinden mußten.
    Gegen Abend ließ der Regen nach, die Sonne erschien, die Wolken trieben zum Bramaputra davon, um für den folgenden Tag frische Wasserladungen aufzunehmen. Dies war nicht der eigentliche Monsun, sondern nur das, was die Reisfresser den »kleinen Regen« nennen. Jedem von uns war es völlig klar, daß die Japaner vertrieben sein mußten, bevor der richtige Monsunregen einsetzte.
    Wir gruben uns für die Nacht eine Verteidigungsstellung, brühten Tee auf und aßen gepökeltes Rindfleisch und Zwieback. Dann legten wir uns aufs Ohr, und sofort stellte sich dieser seltsam betäubte Schlaf ein, bei dem der Körper in einer Art Todesstarre daliegt und der Geist dicht unterhalb der Bewußtlosigkeit dahinstolpert, ständig auf Gefahr lauert und sich die schlimmsten und grauenvollsten Dinge vorstellt, die durch den Schlamm nach oben steigen. Ich träumte niemals von zu Hause oder von Sex. Es gab nicht einmal diese Fluchtmöglichkeit.
    Während der Nacht wurde ich geweckt, um meine Wache anzutreten. In meinen Eingeweiden rumorte es vor Durchfall, und ich fragte mich, ob Wichsen mir vielleicht Erleichterung bringen würde. Ich tastete in der Dunkelheit nach meinem Schwanz. Er und meine Eier waren praktisch zu einem unbedeutenden Nichts zusammengeschrumpft. Der Hodensack war ein kleines, hartes, faltiges Ding. Ich durchwühlte mein Gehirn nach Phantasien, nach Bildern von Bordellen, in denen mir klaffende Muschis entgegenlächelten, aber alles war wie ausgetrocknet. Von mir war nichts mehr übrig außer dem Soldaten.
    Der nächste Tag war genauso mörderisch wie der vorhergehende. Der verdammte Regen rauschte auf uns hernieder und wollte nicht aufhören. Man wünschte sich nur noch, sich niederlegen zu können und zu sterben. Viele Jahre später konnte man niemand erklären, wie schlimm es wirklich gewesen war.
    »Wo waren Sie denn im Krieg?«
    »Ich war in Burma.« Im stillen fügte man hinzu: »So ein verdammtes Pech konnte auch nur ich haben.«
    Gegen Mittag war der Berghang am steilsten. Niemand kam mehr vorwärts; es war einfach unmöglich. Wir waren völlig ausgepumpt. Wir mußten Rast machen. Das sah so aus, daß man sich mit gespreizten Beinen rücklings an einen Baumstamm lehnte, so daß man nicht auf einen anderen stürzte. Die ganze Zeit hing die Drohung über uns, daß Japse plötzlich aus dem Laubdickicht auftauchten und uns unter Beschuß nahmen. Mit gesenkten Köpfen, um unsere Zigaretten vor dem Regen zu schützen, rauchten wir stumm.
    Ein Späher kam über den Pfad zu uns heruntergerutscht, um uns mitzuteilen, daß sie endlich die Spitze des Berges gefunden hätten.
    »Kommt schon, Mendips! Nehmen wir diesen verdammten Berg!« rief Major Inskipp, der Bataillonskommandeur. Er eilte weiter, und wir folgten ihm.
    Der Dschungel lichtete sich. Ein kleiner Felsvorsprung ragte vor uns auf, Wasser lief in gelblichen Rinnsalen daran herab. Zwischen den Bäumen wuchsen Orchideen wie Unkraut. Unsere Vorhut hatte an einem Baum ein Seil befestigt, und wir zogen uns daran hoch und verteilten uns, als wir auf den Gipfel gelangten, liefen ein Stück und ließen uns mit den Gewehren im Anschlag einfach fallen.
    Um uns herum erblickten wir wieder nur Wildnis. Man konnte überhaupt nicht feststellen, wo man war. Die Japaner konnten durchaus in einem Hinterhalt lauern, uns beobachten und jeden Augenblick aus allen Rohren auf uns schießen. Ein Flugzeug flog dröhnend über uns hin weg. Wie ich diesen Kerl oben in seiner Kanzel beneide te, der auf dem Rückweg nach Jorhat oder Dimapur war, wo eine gemütliche Messe auf ihn wartete. Wie war das noch in Dimapur? Dort gab es Charpoys und Duschen und wunderschöne Kantinen.
    Niemand eröffnete das Feuer auf uns. Wir setzten unseren Marsch fort. Der Dschungel drang wieder auf uns ein. Wir waren gezwungen, im
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