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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag
Autoren: Stephen King
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einverstanden. Als ich mich auf den Rückweg zum Ende des Blocks mache, wo die Frau, deretwegen ich hier bin, jetzt vom Bürgermeister Punsch eingeschenkt bekommt, ruft Donald mir nach: »Wie war Ihr Name gleich noch mal?«
    »Amberson«, sage ich über die Schulter hinweg. »George Amberson.«
    »Und Sie wollen es um Viertel nach acht?«
    »Pünktlich. Der Zeitpunkt ist wichtig, Donald. Hoffen wir, dass er gut gewählt ist.«
    Fünf Minuten später heizt Donald Bellingham Jodie mit »At the Hop« ein, und tanzende Paare füllen die Straße unter dem texanischen Sonnenuntergang.
    8
    Um zehn nach acht spielt Donald ein langsames Stück von Alan Jackson, zu dem selbst die alten Leute tanzen können. Sadie ist zum ersten Mal seit dem Ende der Ansprachen allein, und ich nähere mich ihr. Mein Herz hämmert so sehr, dass es mir vorkommt, als ließe es meinen ganzen Körper erbeben.
    »Miz Dunhill?«
    Sie dreht sich um, lächelt und hebt dabei ein wenig den Kopf. Sie ist groß, aber ich bin größer. War es schon immer. »Ja?«
    »Mein Name ist George Amberson. Ich wollte Ihnen sagen, wie sehr ich Sie und all Ihre verdienstvolle Arbeit bewundere.«
    Ihr Lächeln wirkt leicht ratlos. »Danke, Sir. Ich erkenne Sie nicht, aber Ihr Name kommt mir bekannt vor. Sind Sie aus Jodie?«
    Ich kann nicht mehr durch die Zeit reisen, und ich kann bestimmt nicht Gedanken lesen, aber ich weiß trotzdem, was sie denkt. Diesen Namen höre ich in meinen Träumen.
    »Das bin ich und doch wieder nicht.« Und bevor sie nachhaken kann: »Darf ich fragen, was Ihr Interesse für die Sozialarbeit geweckt hat?«
    Ihr Lächeln ist nur noch eine Andeutung, die um ihre Mundwinkel spielt. »Und das möchten Sie wissen, weil …?«
    »War es das Attentat? Die Ermordung Kennedys?«
    »Nun … in gewisser Weise war sie wohl der Grund. Ich denke gern, dass ich mich ohnehin für die Allgemeinheit engagiert hätte, aber vermutlich hat es damit angefangen. Sie hat diesen Teil von Texas mit …« Ihre Linke berührt unwillkürlich ihre Wange, dann sinkt sie wieder herab. »… solch einer Narbe zurückgelassen. Mr. Amberson, woher kenne ich Sie? Denn ich kenne Sie, dessen bin ich mir sicher.«
    »Darf ich Sie etwas anderes fragen?«
    Sie betrachtet mich mit wachsender Verwirrung. Ich sehe kurz auf meine Uhr. Bald ist es so weit. Das heißt, wenn Donald es nicht vergisst … und ich glaube nicht, dass er das tun wird. Um irgendeinen alten Song aus dem Fünfzigern zu zitieren: Manche Dinge müssen einfach geschehen.
    »Der Sadie Hawkins Dance damals im Jahr 1961. Wen haben Sie dafür gewonnen, mit Ihnen zusammen Aufsicht zu führen, nachdem Coach Bormans Mutter sich die Hüfte gebrochen hatte? Wissen Sie das noch?«
    Ihr Mund öffnet sich, dann schließt er sich langsam wieder. Der Bürgermeister und seine Frau kommen näher, sehen uns in ein Gespräch vertieft und drehen ab. Wir sind hier in unserer eigenen kleinen Zeitkapsel; nur Jake und Sadie. Genau wie damals.
    »Don Haggarty«, sagt sie. »Das war, als würde man den Tanz zusammen mit dem Dorftrottel beaufsichtigen. Mr. Amberson …«
    Aber bevor sie weitersprechen kann, dröhnt Donald Bellinghams Stimme exakt pünktlich aus den acht Lautsprechersäulen. »Okay, Jodie, hier kommt ein Knaller von gestern, eine Scheibe, die absolut nicht platt ist, nur das Beste und nur auf besonderen Wunsch!«
    Dann kommt sie, die schmissige Einleitung von den Blechbläsern einer Band, die längst Geschichte ist:
    Bah-dah-dah … bah-dah-da-die-dam …
    »O Gott, ›In the Mood‹«, sagt Sadie. »Darauf hab ich früher Lindy getanzt.«
    Ich strecke ihr die rechte Hand hin. »Kommen Sie. Wir wollen tanzen.«
    Sie schüttelt lachend den Kopf. »Die Zeit, in der ich Swing getanzt habe, liegt leider lange hinter mir, Mr. Amberson.«
    »Aber Sie sind nicht zu alt für einen Standardtanz. Wie Donald früher immer gesagt hat: ›Hoch von den Stühlen, bewegt eure Beine.‹ Und nennen Sie mich George. Bitte.«
    Auf der Straße tanzen Paare Jitterbug. Einige von ihnen versuchen sogar den Lindyhop, aber kein Paar kann ihn swingen, wie Sadie und ich ihn damals swingen konnten. Nicht einmal andeutungsweise.
    Sie ergreift meine Hand wie eine Träumende. Sie ist in einem Traum, und ich bin es auch. Wie alle süßen Träume wird er kurz sein … aber Kürze erzeugt Süße, oder nicht? Ja, das denke ich. Denn wenn die Zeit vorüber ist, kann man sie nie mehr zurückholen.
    Aber manchmal eben doch.
    Über der Straße hängen Partyleuchten,
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