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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag
Autoren: Stephen King
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richtig zu sehen. Es war kalt. Ich habe genug Geld, um mir eine Jacke zu kaufen, aber ich fürchte mich davor, allzu viel zu kaufen. Ich muss immer daran denken, welche Veränderungen das auslösen könnte.
    Nach dem ersten Gruselfilm ging ich jedoch in die Snackbar. Ich wollte einen heißen Kaffee. (Wobei ich dachte: Das kann nicht viel verändern, aber auch: Woher willst du das wissen? ) Als ich wieder herauskam, war nur ein einziges Kind auf dem Spielplatz, der noch vor nur einem Monat in der Pause voll gewesen wäre. Ein kleines Mädchen, das zu einer leuchtend roten Hose eine Jeansjacke trug. Sie hatte ein Springseil und sah aus wie Rosette Templeton.
    »I went down the road, the road was a-muddy«, skandierte die Kleine. »I stubbed my toe, my toe was a-bloody. You all there? Count two an three an four an fi’! My true love’s a butterfly! «
    Ein Schmetterling! Ich konnte nicht bleiben. Ich zitterte zu sehr.
    Vielleicht können Dichter die Welt der Liebe opfern, aber nicht gewöhnliche kleine Leute wie ich. Falls der Kaninchenbau noch da ist, gehe ich morgen zurück. Aber bevor ich das tue …
    Kaffee war nicht das Einzige, was ich in der Snackbar gekauft habe.
    7. 10. 58
    Die Stahlkassette von Western Auto steht mit offenem Deckel auf dem Bett. Der Spaten lehnt im Kleiderschrank (keine Ahnung, was das Zimmermädchen von ihm hält). Die letzte Tintenpatrone ist fast leer geschrieben, aber das ist in Ordnung; noch zwei bis drei Seiten, dann bin ich am Ende angelangt. Ich werde das Manuskript in die Kassette legen und sie in der Nähe des Teichs vergraben, in dem ich mein Handy entsorgt habe. Ich werde sie tief in dem weichen, dunklen Boden vergraben. Vielleicht findet sie eines Tages jemand. Vielleicht sind Sie dieser Jemand. Das heißt, wenn es eine Zukunft und damit auch Sie gibt. Das ist etwas, was ich bald herausfinden werde.
    Ich sage mir (hoffnungsvoll, ängstlich), dass meine drei Wochen im Tamarack nicht viel verändert haben können; Al hat vier Jahre in der Vergangenheit verbracht und ist in eine intakte Gegenwart zurückgekehrt … obwohl ich zugeben muss, dass ich mich gefragt habe, ob es vielleicht einen Zusammenhang zwischen Al und dem Terroranschlag auf das World Trade Center gab. Ich sage mir jedes Mal, es gibt keinen … aber ich frage mich trotzdem.
    Ich sollte Ihnen auch erzählen, dass ich 2011 nicht mehr für die Gegenwart halte. Philip Nolan war der Mann ohne Vaterland; ich bin der Mann ohne Zeitbezug. Das werde ich wohl für immer bleiben. Selbst wenn 2011 noch existiert, werde ich dort ein Frem der auf Besuch sein.
    Auf dem Schreibtisch neben mir liegt eine Ansichtskarte, auf der Autos vor einer Großleinwand vorfahren. Das sind die einzigen Karten, die in der Snackbar des Autokinos verkauft werden. Ich habe eine Mitteilung geschrieben, und ich habe die Adresse geschrieben: Mr. Deacon Simmons, Jodie High School, Jodie, Texas. Ich wollte schon Denholm Consolidated High School schreiben, aber aus der JHS wird erst nächstes Jahr die DCHS .
    Die Mitteilung lautet: Lieber Deke, bitte passen Sie auf Ihre neue Bibliothekarin auf, wenn sie kommt. Sie braucht einen Beschützer, vor allem im April 1963. Bitte glauben Sie mir.
    Nein, Jake, höre ich den Mann mit der ockerfarbenen Karte flüstern. Schon das ist zu viel. Falls John Clayton sie ermorden soll und es nicht tut, führt das zu Veränderungen … und wie du gesehen hast, ändert sich nie etwas zum Besseren. Auch wenn deine Absichten noch so gut sind.
    Aber es geht um Sadie!, erkläre ich ihm, und obwohl ich nie eine Heulsuse war, kommen mir jetzt Tränen. Sie schmerzen, sie brennen. Es geht um Sadie, und ich liebe sie! Wie kann ich untätig zusehen, wenn er sie vielleicht umbringt?
    Die Antwort ist so unerbittlich wie die Vergangenheit selbst: Schließ den Kreis.
    Also zerreiße ich die Ansichtskarte, lege die Schnipsel in den Aschenbecher und zünde sie an. Hier gibt es keinen Rauchmelder, der aller Welt petzt, was ich getan habe. Zu hören ist nur mein rasselndes Schluchzen. Ich komme mir vor, als hätte ich sie mit eigenen Händen ermordet. Bald werde ich die Stahlkassette mit meinem Manuskript vergraben und dann nach Lisbon Falls zurückkehren, wo der Mann mit der ockerfarbenen Karte sich bestimmt sehr freuen wird, mich zu sehen. Ich werde kein Taxi rufen; ich will die ganze Strecke unter den Sternen zu Fuß gehen. Irgendwie will ich Abschied nehmen. Herzen brechen nicht wirklich. Wenn sie es doch nur täten!
    Im Augenblick gehe ich
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