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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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militant. Sie ließen lange die Bereitschaft erkennen, die Union aufzugeben und den sündhaften Süden ziehen zu lassen. Für den Krieg plädierten sie erst, als er bereits ausgebrochen war.
    In den 1840er und 1850er Jahren wurde es immer schwieriger zu definieren, was ein guter Amerikaner eigentlich war und welchen Werten er (oder sie) genau folgen sollte. Dies machte es für Einwanderer und Alteingesessene gleichermaßen schwer, sich zu orientieren. Die Intensität der Debatten über amerikanische Identität, wie man heute sagen würde, trug erheblich zu jener angeheizten Stimmung bei, die 1861 im Bürgerkrieg kulminieren sollte. Allerdings kannte die politische Kultur der Union durchaus verbindende Elemente, insbesondere den beständigen Appell an die kollektive Erinnerung der Revolution, der Verfassung und des Zeitalters der Gründerväter. Der 4. Juli, der Tag der Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1776, wurde alljährlich zum Anlaß für prächtige Feiern genommen, in deren Verlauf sich die Amerikaner ihrer Gründungsgeschichte erinnerten und sich die Errungenschaften der Revolution, Republikanismus, Bürgertugend, Fortschritt, Freiheit und Menschenrechte in leidenschaftlichen und pathetischen Reden vergegenwärtigten. Am Gedenktag zu Washingtons Geburtstag fanden vergleichbare Feste statt. Diese Feiern und Festreden etablierten überhaupt erst die amerikanische Zivilreligion, indem sie eine gemeinsame Semantik und Bildersprache des amerikanischen Unionspatriotismus schufen. Von herausragender Bedeutung waren dabei zusätzlich die Verfassung und die Unabhängigkeitserklärung, beide keine säkularen Dokumente mehr, sondern im Wortsinn heilige Schriften. Auf sie und das ihnen zugrundeliegende Freiheitsverständnis konnte sich jeder einigen. Allerdings trat im Laufe der Jahrzehnte ein Problem der amerikanisch-patriotischenZivilreligion immer drängender in den Vordergrund: Jeder interpretierte sie nach seinem Gusto. Was um 1820 noch vereinigend wirkte, wurde um 1855 bereits trennend ausgelegt.
    Vergleichbares gilt für das sogenannte zweite amerikanische Parteiensystem, das um 1830 noch zur Einheit der Union beigetragen hatte, um 1860 aber ihren Zerfall beschleunigte. Entstanden war es nach dem Untergang der Einparteienherrschaft der
Democratic Republicans
nach 1828. Diese Einheitspartei war nach dem Krieg gegen Großbritannien von 1812 entstanden und hatte in ihren Reihen sowohl die alten, vom agrarutopischen Ideengut Thomas Jeffersons gespeisten
Old Republicans
als auch die Befürworter der Unionsverfassung von 1791, die
Federalists,
vereinigt. Außerhalb der Einheitspartei existierten nur noch wenige
High Federalists
, einstige Anhänger Alexander Hamiltons, zum Beispiel der Oberste Bundesrichter John Marshall. Dadurch hatte sich bereits um 1815 die ursprüngliche weltanschauliche Gliederung des amerikanischen Parteiensystems grundlegend verschoben, ohne daß indes die strukturellen Gegensätze, welche gegen die ursprüngliche Intention der Gründerväter überhaupt erst dazu geführt hatten, Parteien zu gründen, verschwunden gewesen wären. Tatsächlich waren bereits zu Beginn der 1820er Jahre, im Gefolge der wirtschaftlichen Panik von 1819, parteiinterne Spannungen ideologischer Natur erkennbar. Es war keineswegs so, wie gerne behauptet wird, daß die amerikanischen Parteien ideologiefrei gewesen wären. Sie unterschieden sich gleichwohl von den europäischen Parteien einerseits durch ihren konsequenten Aufbau von unten nach oben, wodurch es der unionsweiten Führung an weltanschaulicher Durchsetzungskraft gebrach. Dies führte dazu, daß auf regionaler Ebene ganz unterschiedliche Koalitionen jeweils aus Anlaß nationaler Wahlen zu einer gemeinsamen Plattform fanden. Andererseits nutzten die amerikanischen Parteien diese strukturelle Divergenz, um sich als weltanschauliche Mischparteien zu präsentieren, die je nach Ort, Situation und Anliegen wahlweise auf liberal-individualistisches oder tugendrepublikanisch-gemeinschaftsorientiertes Gedankengut zurückgriffen. Auf diese Weise gelang es nach 1828 erst den liberal-konservativen
National Republicans
auf der einen Seite und den republikanisch-egalitären
Democratic Republicans
auf der anderen Seite und dann den ab 1834 entstandenen
Whigs
und
Democrats
, der im Fluß befindlichen amerikanischen Gesellschaft eine parteipolitisch begründete Struktur zu gegen. Fast jeder noch so kleine Ort verfügte über eine Zeitung der Demokraten und eine der Whigs; selbst
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