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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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Generell wird man daher feststellen können, daß trotz der Produktivität der Sklavenhalterwirtschaft vor den 1850er Jahren das Gros des amerikanischen Bruttosozialprodukts ebenso im Norden produziert wurde, wie man dort relativ über ein höheres Einkommen verfügte als im Süden.
    Eng verbunden mit der divergierenden soziostrukturellen und ökonomischen Entwicklung, bildeten sich im Norden und Süden der USA allmählich abweichende kulturelle Wertvorstellungen heraus. Im Norden fand sich mehr und mehr eine bürgerlich-protestantische Arbeitsethik im Sinne von Max Weber, die von innerweltlicher Askese, Gewinnstreben und dem Ideal der egalitären Bürgertugend gekennzeichnet war. Allerdings gilt dies nur mit erheblichen Einschränkungen. Zum einen handelte es sich um ein urbanes Ideal angelsächsisch-weißer und protestantischer Mittelklassen. Arbeiter, Handwerker, vor allem aber ethnisch-religiöse Minderheiten teilten dieses Gedankengut nicht mit der Selbstverständlichkeit, die man von ihnen seitens ihrer Arbeitgeber aus den Mittelklassen erwartete. Dadurch entwickelte sich die bürgerlich-kapitalistische Ethik des «Yankee» in den frühen Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts relativ schnell zu einem Instrument der rigiden Sozialdisziplinierung, das bei vielen, besonders katholischen Migranten, auf erhebliche Widerstände stieß. Dies sollte die spätere Koalition südstaatlicher Plantagenbesitzer mit katholischen Arbeitern des Nordens in der Demokratischen Partei erleichtern, da beide Gruppen über ein großes Potential an weltanschaulicher Widerständigkeit gegenüber derabstrakten kapitalistischen Marktordnung verfügten, obschon die Großgrundbesitzer des Südens faktisch ebenso kapitalistisch produzierten und handelten wie die Yankeefabrikanten Neuenglands. Zum anderen stieß der neue Geist des bürgerlich-liberalen Kapitalismus über die Benachteiligten des Systems hinaus auf ideologisch oder religiös motivierte Bedenken. Kulturkritische Diskurse über die Allmacht des Dollars, den Materialismus der amerikanischen Gesellschaft mit ihrer Vergötzung des Gewinnstrebens sowie die Kaltschnäuzigkeit und Scheinheiligkeit von Fabrikanten, die sich philanthropisch gaben, in Wahrheit aber ausbeuterisch handelten, fanden sich nicht allein in elitären Intellektuellenkreisen, sondern zählten zum Grundbestand der Zeitungsdebatten jener Tage. Dadurch konnten die tonangebenden Klassen des Südens auf dieser kulturkritischen, kulturpessimistischen und kapitalismusskeptischen Ebene durchaus hier und da auf Zustimmung unter Nordstaatlern hoffen. Denn die kulturell wie sozial dominanten Sklavenhalter des Südens bemühten sich, ihre Lebenswelt in strenger Übereinstimmung mit der Tradition und den republikanischen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts, also der Epoche der verklärten Gründerväter der Republik, zu inszenieren. Sie, die Großgrundbesitzer, waren demnach die wahren Erben eines George Washington oder Thomas Jefferson, während die bürgerlich-urbanen Eliten des Nordens bestenfalls Abfallprodukte einer im Kern unerwünschten und mit republikanischen Werten nicht zu vereinbarenden Fehlentwicklung darstellten. Paradoxerweise führte dies einerseits dazu, daß man im Süden wenigstens auf der Ebene weißer Männer strikt an den egalitären und meritokratischen Idealen der Revolution festhielt und die Solidarität der Weißen untereinander betonte, sich aber auf der anderen Seite als Aristokratie darstellte. Den gesellschaftlichen Realitäten entsprach dies nicht, denn die soziale Mobilität des Südens konnte durchaus mit derjenigen des Nordens konkurrieren. Während dort die etablierten Familien der
Boston Brahmins
, der niederländischen Aristokratie und der Abkömmlinge der
Mayflower
-Puritaner zum Teil noch im 20. Jahrhundert den Ton angaben – man denke nur an die Cabots, die Lodges, die Huntingtons, Roosevelts undFrelinghuysens –, gelang es nur sehr wenigen Familien der südstaatlichen Pflanzeraristokratie, sich auf Dauer ganz oben zu positionieren. Dies hing in erster Linie mit den wirtschaftlichen Unwägbarkeiten der verschiedenen Rohstoffbooms zusammen. Hatten im 17. und 18. Jahrhundert noch die tabak-, reis- und indigopflanzenden Herren aus Virginia, Maryland und North Carolina gesellschaftlich und wirtschaftlich dominiert, so verschoben sich im 19. Jahrhundert die Gewichte in den Süden und Südwesten, nach South Carolina, Mississippi, Alabama und Louisiana. Ein signifikanter Elitenaustausch war
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