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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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die unmittelbare Folge, ohne daß dies im aristokratischen Selbstverständnis der herrschenden Südstaatler reflektiert worden wäre. In ihrer Selbstzuschreibung blieben sie Aristokraten, Kavaliere, die sich in jeder Hinsicht von den Emporkömmlingen aus dem Norden unterschieden und den Anspruch erhoben, die wahren Amerikaner zu sein. Auch ihre Frauen, auf deren herausragende Schönheit sie manches Lied sangen, seien besser als alles, was der Norden hervorbringe.
    Die Selbststilisierung als großgrundbesitzende Aristokratie ließ die Führungsschicht des Südens auch an anderen, teilweise gleichwohl neu gedeuteten, Besonderheiten ihrer politischen Kultur festhalten. An erster Stelle stand dabei die anhaltende Wertschätzung der extralegalen Volksgewalt im Sinne der frühneuzeitlichen europäischen Tradition. Hierzu zählten das Duell und das
lynching
in seinen verschiedenen Formen. Im Duell, und hierin lag der Wandel gegenüber den feudalaristokratischen Vorbildern aus Europa, wurde allerdings weniger das Standesprivileg des Duellanten herausgestrichen, als seine Fähigkeit, in einem egalitär-demokratischen Rahmen Männlichkeit, Mut, Tapferkeit, Kaltblütigkeit und Standhaftigkeit zu demonstrieren, sich also als militärischer und politischer Führer zu beweisen. Das Duell war meritokratisch umgedeutet worden. Beim
lynching
, von dem vor 1865 primär weiße Männer im Süden und Westen betroffen waren, drehte es sich demgegenüber um das Recht des einfachen Volkes, des «Umstandes», wie man in der Frühneuzeit gesagt hatte, sich in Gebieten mit schwach ausgeprägter Staatlichkeit selbst Recht zu verschaffen, sei es aus familiären Gründen oder weil Verbrecher die gegebene Ordnungbedrohten. Ein
lynching
mußte nicht notwendig tödlich enden, aber da Gesellschaft und Kultur des Südens ähnlich gewalttätig waren wie in den nördlichen Städten, fanden doch relativ viele Menschen bei Duellen und
lynchings
den Tod. Im Hintergrund beider stand ein traditionales Ehrkonzept, das so im Norden eigentlich nur noch bei den Verbrecherbanden ethnischer Minderheiten vorkam, die sich ebenfalls an vormodernen Gewaltkodizes aus Europa, vor allem aus Großbritannien zu orientieren pflegten. Dieser gemeinsame Rekurs erleichterte dann in den 1850er Jahren erneut die Kooperation beider höchst unterschiedlicher sozialer Formationen in der Demokratischen Partei. Indem sich die Südstaatler als meritokratische Ehrenmänner inszenierten, setzten sie sich deutlich vom Bürgertum des Nordens ab, das keinen entsprechenden Ehrbegriff mehr kannte und diesen weithin durch ein bourgeoises Tugendkonzept ersetzt hatte. Dieses Konzept war wesentlich innengeleiteter als das Denken in den Kategorien der Ehre, die ja immer die Ehre in den Augen der anderen war. Insofern diente der südstaatliche Ehrdiskurs als Abgrenzungsinstrument. Innerhalb des Südens konnte er hingegen integrativ genutzt werden, da es jedem weißen Mann offenstand, sich dieses Konzeptes zu bedienen.
    Allerdings funktionierte das integrative Potential des Ehrdiskurses nur vor dem spezifischen Hintergrund der sogenannten
colour line
, also einer auf rassischer Distinktion aufbauenden Gesellschaftsordnung. Nur weiße Männer kamen demnach in den Genuß der Privilegien einer auf Rasse beruhenden Gesellschaftspyramide. Wenigstens der Theorie nach waren die weißen Männer gleich, indem und da sie sich von den Schwarzen, gleichgültig ob sie frei oder versklavt waren, absetzen konnten. Es war nicht nur die Sklaverei, die im Herzen der südstaatlichen Gesellschaft verankert war, sondern der Rassismus. Nach den Vorstellungen und Rechtsinstitutionen der südstaatlichen Angelsachsen zählte jeder, der mindestens ein farbiges Großelternteil hatte, dessen «Blut» also zu einem Achtel «schwarz» war, zu den Schwarzen. Das aber bedeutete, daß die entsprechende Person kein Bürger werden konnte und potentiell immer unter dem Damoklesschwert der Versklavung stand. Einzig in denfranzösisch dominierten Teilen des Südens, in Louisiana und in den Küstenregionen von South Carolina, wo sich Hugenotten und Royalisten angesiedelt hatten, die vor der Französischen Revolution oder dem großen Sklavenaufstand in Haiti 1791 ausgerechnet in die amerikanische Republik geflohen waren, galten andere Regeln. Hier unterschied man nicht strikt zwischen schwarz und weiß, sondern folgte einem rechtlich fixierten Drei-Kasten-System von schwarz, weiß und farbig, wobei die Kategorie farbig in vielerlei
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