Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Amerikaner - The American

Der Amerikaner - The American

Titel: Der Amerikaner - The American
Autoren: Andrew Britton
Vom Netzwerk:
Augen ließen Kealeys Gesicht keinen Moment aus dem Blick. »Ich werde dich in ein kleines Geheimnis einweihen, Ryan. Du kannst mich nennen, wie es dir gerade passt. Es macht keinen Unterschied. Nicht hier. Nicht mehr.«

    Sein Blick war fast hypnotisch, und Kealey musste sich mit Gewalt davon losreißen. Er schaute Katie an. Ihre Augen sahen ihn flehend an, und plötzlich liefen Tränen über ihre Wangen. »Ryan …«
    Vanderveen blickte auf sie hinab, riss den Kopf aber wieder hoch, bevor Kealey handeln konnte. »Sie ist bezaubernd, eine bessere Wahl hättest du nicht treffen können. Ihre Augen sind so …« Er tat, als müsste er mühsam nach den richtigen Worten suchen. »Ausdrucksstark. So voller Leben. Sie könnten eine ansonsten unansehnliche Frau in eine Schönheit verwandeln. Aber unsere Katie war nie unansehnlich, stimmt’s?«
    In einem seltsam klarsichtigen Moment bemerkte Kealey, dass das Messer aus seiner eigenen Küchenschublade stammte - ein gut zwölf Zentimeter langes Kyocera-Schälmesser, das jenem ähnelte, das er in das Gefängnis eingeschmuggelt hatte. Die Klinge bewegte sich mit Vanderveens Worten, blieb aber immer ganz in der Nähe von Katies Hals.
    Kealeys Augen suchten nach etwas, das er als Waffe benutzen konnte.
    Es war sinnlos. Einen Meter weiter rechts, auf der Schieferplatte der Anrichte, lag nichts, das ihm nützlich sein konnte. Er hätte sich auf Vanderveen stürzen können, wäre aber niemals schnell genug gewesen. Wenn er sich bewegte, würde Vanderveen ihr sofort die Kehle durchschneiden.
    Draußen tobte der stärker werdende Sturm, ein rhythmisches, unvergleichliches Geräusch.
    Er musste etwas sagen. »Hör zu, sie … Es ist nicht notwendig, dass du …«
    Vanderveen blickte ihn eindringlich an, und Kealey unterbrach sich. Dann klickte etwas in seinem Kopf. Danach war der flehende Tonfall wie weggeblasen, und seine Worte waren wörtlich
zu nehmen. »Wenn du es tust, bist du auch am Ende der Welt nicht in Sicherheit.«
    »Na endlich«, sagte Vanderveen befriedigt. »Das wollte ich hören. Schön zu sehen, dass du noch nicht jeden Mumm verloren hast.«
    Kealey trat einen Schritt vor, doch bevor er einen zweiten tun konnte, hatte Vanderveen Katie blitzschnell von dem Stuhl gerissen. Sein linker Arm schlang sich unnachgiebig um ihre Taille, und er presste sie an seine Brust. Die Messerspitze drückte fest genug auf ihre Haut, um etwas Blut fließen zu lassen.
    »Nein, verdammt! Tu’s nicht …!« Kealey musste hart gegen die aufsteigende Panik ankämpfen. Er riss die Hände hoch und versuchte, seine Stimme möglichst ruhig klingen zu lassen. »Lass sie los, Will. Sie hat nichts mit dieser Geschichte zu tun.«
    »Falsch!«, knurrte Vanderveen. »Und ob sie etwas damit zu tun hat. Du hast sie mit reingezogen, als du heute den Helden spielen musstest.«
    Kealey fiel keine Antwort ein. Katie weinte jetzt verzweifelt angesichts des hilflosen Ausdrucks in seinen Augen, zwischen den Schluchzern mühsam nach Worten suchend. »Ryan, lass nicht zu, dass … er mir wehtut. Bitte …«
    »Schon gut, Katie«, brachte er mühsam hervor. »Ich bin hier. Ich bin ja hier.«
    »Sehr bewegend«, bemerkte Vanderveen. »Aber ich beginne mich zu langweilen. Ich muss dir eine Frage stellen, Ryan. Hat dein Heldentum sich gelohnt? Hat es sich gelohnt für die flüchtige Dankbarkeit von ein paar hundert Menschen, die du nie kennen lernen wirst? Wenn du zurückkehren und sie sterben lassen könntest, damit sie überlebt, würdest du es etwa nicht tun? Würdest du es nicht sofort tun?« Er wartete auf eine Antwort, aber vergeblich.

    Kealey konnte den Blick nicht von Katies Gesicht abwenden, in dem sich nichts als nackte Angst und Verzweiflung spiegelten.
    Vanderveen war sichtlich enttäuscht. »Dann wollen wir es mal so versuchen«, sagte er. »Erinnerst du dich noch daran, als du sie zum ersten Mal gesehen hast?«
    Kealey durchschaute ihn, konnte aber nichts dagegen tun, dass vor seinem geistigen Auge ein Bild erschien: Katie, im Schneidersitz auf dem Campus in Orono, ihr Lächeln, die offenen blauen Augen, das in der Sonne glänzende goldbraune Haar.
    Vanderveens Ausstrahlung wurde noch hypnotischer. Als er Kealeys verschleierten Blick sah, lächelte er und sagte: »Genau, das ist es. Halt die Erinnerung gut fest …«
    Die letzten Worte katapultierten Kealey in die Realität zurück.
    »… und schau genau hin.«
    Damit holte Vanderveen aus und stieß Katie die Klinge bis zum Griff in die rechte Seite
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher