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Der Agent - The Invisible

Der Agent - The Invisible

Titel: Der Agent - The Invisible
Autoren: Andrew Britton
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auf die Knie fallen, mit sich wortlos bewegenden Lippen. Die Augen der anderen Passagiere schienen ebenfalls magisch angezogen von dem verstörenden Anblick, aber sie kamen zurück. Es schien, als hätten sie die Vergeblichkeit eines Fluchtversuchs erkannt und begriffen, dass es für den Augenblick am besten war, den Befehlen ihrer Entführer zu gehorchen.
    Entführer. Obwohl die Männer Armeeuniformen trugen, ging Rebeka das Wort immer wieder durch den Kopf. Aus nördlicher Richtung näherte sich mit hohem Tempo ein Lastwagen, dessen Reifen Staubwolken aufwirbelten und auf dessen Windschutzscheibe das blassgelbe Licht der Sonne funkelte. Den Pakistanern schien das Fahrzeug nicht aufzufallen, was für Rebeka ein böses Omen war. Nach dem, was gerade geschehen war, durften sie eigentlich keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Als ihr Kopf wieder klar wurde, zeichnete sich die Wahrheit nach und nach deutlicher ab, wie bei einem Puzzle, das sich zu einem Bild fügt. Allerdings zu einem, das sie nicht sehen wollte - die Soldaten erwarteten den Laster.
    Und weil sie den Laster hatten, brauchten sie den Bus nicht. Sie würden ihn hierlassen, denn er vermittelte eine Botschaft. Der Bus war der Beweis dafür, was geschehen war, und man würde sie mit dem Lastwagen an einen anderen Ort bringen.
    Sie waren Opfer einer Entführung.
    Als die Wahrheit nicht mehr zu ignorieren war, überkam
sie eine Woge böser Vorahnungen. Sie hatte Texte von Journalisten gelesen, die sich in ähnlichen Situationen befunden hatten, wusste aber auch, dass es von etlichen keine Berichte gab, weil sie die Ereignisse nicht überlebt hatten. Trotz ihrer Angst, die ihr die Brust zuschnürte, zeigte sie keine sichtbare Reaktion. Sie blickte sich um und fragte sich, ob jemand von den Mitreisenden ebenfalls begriffen hatte. Etwas in ihr wollte sich wehren, und sie richtete sich unsicher auf. Einen Augenblick lang stand sie vornübergebeugt da und versuchte, etwas gegen den Schwindel zu tun.
    Nachdem sie es halbwegs geschafft hatte, ihre Übelkeit niederzukämpfen, versuchte sie, jenen Mann zu entdecken, der der Anführer der Pakistaner war und ein so kultiviertes Englisch sprach. Sie sah ihn nicht, dafür aber den Lastwagen, der zwanzig Meter entfernt angehalten hatte. Die anderen Reisenden lagen jetzt mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, mit hinter dem Rücken gefesselten Händen. Nur wenige wehrten sich. Zwei andere bewegten sich gar nicht. Bei ihnen entdeckte sie stark blutende Kopfwunden. Sie glaubte nicht, dass auf sie geschossen worden war - sie hatte kein Gewehrfeuer mehr gehört -, doch selbst aus einiger Entfernung konnte sie erkennen, wie ernsthaft die Verletzungen waren.
    Ein Soldat kam in ihre Richtung gerannt. Seine Stiefel knirschten auf dem Schotter, vor seinem Oberkörper baumelte ein Gewehr. Er lächelte, zog eine merkwürdig aussehende Schnur aus der Tasche und bedeutete ihr, sich umzudrehen. Sie gehorchte langsam, darum bemüht, ihre Angst zu verbergen. Die Hände wurden ihr sanft auf den Rücken gezogen und mit der Kunststoffschnur zusammengebunden. Dann klopfte ihr der Mann auf die heile Schulter, und sie drehte sich erneut um. Jetzt lächelte der Soldat nicht mehr. Er hielt den Gewehrlauf
mit beiden Händen, holte aus und schlug ihr den Kolben mitten ins Gesicht.
    Rebeka sah einen grellen Blitz und empfand einen grässlichen Schmerz, als ihr Kopf durch den Schlag zurückgestoßen wurde.
    Ihre Beine gaben nach, und dann war alles in Finsternis getaucht.

1
    Oræfi, Island
    Das weiß verputzte Hotel am Fuß des Snæfellsjökull-Gletschers war einfach, gemütlich und fast leer, obwohl die Straßen frei waren und auf den Frühling jetzt ein kurzer arktischer Sommer folgte. Kurz, hier hatte der einsame Reisende, der vor zwei Tagen eingetroffen war, alles, was er sich nur wünschen konnte. Seine Glieder schmerzten von einer anstrengenden, eintägigen Wanderung. Seit seinem Aufbruch aus der dreihundert Kilometer weiter westlich gelegenen Hauptstadt Reykjavík hatte er zu Fuß die isländische Wildnis durchquert. Nach seiner letzten Unterkunft, einer engen, übel riechenden Hütte am Morsádalur-Trekkingweg, erschien ihm das Skaftaffel-Hotel beinahe luxuriös. Trotzdem wäre er auch mit sehr viel weniger zufrieden gewesen.
    Der Südosten Islands war nur die letzte Etappe einer langen Expedition in einige der unwirtlichsten Regionen der Erde. Aber Ryan Kealey war alles andere als ein Anfänger, weil er schon in seiner Jugend und seinen
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