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Der Agent - The Invisible

Der Agent - The Invisible

Titel: Der Agent - The Invisible
Autoren: Andrew Britton
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für sie der größte Ansporn. Diesen Anblick jetzt hätte sie für nichts auf der Welt hergegeben.
    Nach einer Weile neigte sich der Bus leicht nach rechts, als er um den Berg fuhr. Damit war der spektakuläre Blick auf den Tirich Mir beendet, den höchsten Gipfel des Hindukusch. Der Bus fuhr bergab in Richtung des Khunjerab-Nationalparks. Enttäuscht wandte sie sich ab und ließ den Blick über die Mitreisenden schweifen. Der Bus war rappelvoll, angesichts der Jahreszeit nicht überraschend. Etliche der Passagiere waren Bergsteiger, angezogen von den forderndsten Gipfeln der Welt, und mit einer Genehmigung konnte man nur während der
Sommermonate rechnen. Rebeka war schon wochenlang mit diesen Leuten unterwegs und kannte die meisten ziemlich gut.
    Ihr gegenüber saß Beni Abruzzi, ein großer, attraktiver, draufgängerischer Bergsteiger aus Brescia. Er redete - wie immer heftig gestikulierend - auf Umberto Verga ein, seinen stämmigen sizilianischen Cousin. Der sagte nur selten etwas, und wenn er es tat, klang es eher wie ein fortgesetztes Grunzen. Aber Beni war nur zu glücklich, sich selbst reden zu hören. Er hatte bei der italienischen Armee als caporal maggiore gedient, als Unteroffizier der Infanterie, und einige Zeit im Irak verbracht, was er schon so oft erwähnt hatte, dass Rebeka es nicht mehr hören konnte. Abruzzi konnte stundenlang mit seinen militärischen Leistungen prahlen, und Rebeka hielt die meisten seiner Geschichten zwar für wahr, aber für kein bisschen beeindruckend. Im Moment - nicht weiter überraschend - richtete sich der Blick des Italieners auf drei hübsche norwegische Krankenschwestern, die vor zwei Stunden in Taschkurgan zu ihnen gestoßen waren, vierzig Minuten bevor der Bus auf dem Khunjerab-Pass, dem höchsten Punkt des Karakorum-Highways, die chinesisch-pakistanische Grenze passiert hatte.
    Dann waren da noch die dänischen Bergsteiger, die vor vier Tagen am K2 eingetroffen waren, um ihn zu erklimmen, aber bald deprimiert in das Camp in Concordia zurückkehren mussten, und eine kleine Gruppe in die Jahre gekommener Kanadier. Es gab sogar einen renommierten amerikanischen Geologen namens Timothy Welch. Der emeritierte Professor von der University of Colorado schien den Großteil seiner Zeit damit zu verbringen, auf seine Hände zu starren und leise vor sich hin zu murmeln, was Rebeka zugleich amüsant und etwas nervig fand.
    Abruzzi erhaschte ihren Blick, doch sie wandte sich ab,
bevor er sie wie üblich mit seinen lüsternen Augen fixieren konnte. Um ihre Reaktion unauffälliger erscheinen zu lassen, zog sie rasch das Tagebuch aus dem Berghaus-Rucksack und öffnete es, um die Ereignisse der letzten paar Tage festzuhalten. Es war nicht leicht, sich unter dem starren Blick des Italieners zu konzentrieren. Sie hatte alles getan, um ihn ihr Desinteresse spüren zu lassen, aber ihre Anstrengungen waren offensichtlich vergeblich gewesen. Obwohl sie erst dreiundzwanzig war - genauso alt wie Abruzzi -, hatte sie schon allerhand erreicht. Aus diesem Grund neigte sie dazu, auf Menschen ihres Alters herabzublicken. Sie wusste, dass es hochmütig war, konnte jedoch nichts dagegen tun. Da sie eine permanent gefordert Frau war, standen Dinge wie Männer, Sex und Partys nicht oben auf ihrer Prioritätenliste.
    Zugleich war ihr klar, dass ihr Aussehen ihr beruflich handfeste Vorteile verschaffte, doch das wäre in jeder anderen Branche genauso gewesen. Sie nahm es gelassen, und es änderte nichts daran, wie sie selbst ihren Erfolg einschätzte. Kürzlich hatte sie in der jüngsten Ausgabe von Outside auf der Impressumseite ihr Bild neben dem des Herausgebers gesehen, eines definitiv nicht attraktiven Schweden, der die sechzig überschritten hatte, und es war kein bisschen kleiner als seines. Diese Entdeckung hatte bestätigt, was sie bereits wusste - dass sie eine der begehrtesten jungen Fotografinnen weltweit war, verdankte sie ihrem Talent, nicht ihrem Äußeren.
    Rebeka wurde aus ihren Gedanken gerissen, als der Bus erzitterte, weil der Fahrer einen Gang herunterschaltete. Sie reckte den Kopf und sah weiter vorn am Straßenrand etliche geparkte Fahrzeuge, von Männern umringt. Als der Bus näher kam, konnte sie besser sehen, und was sie erkannte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

    Gewehre. Schwer bewaffnete Männer, und nicht eben wenige. Das Geflüster auf den umliegenden Sitzen ließ sie vermuten, dass die anderen genauso verwirrt und besorgt waren wie sie. Auf dem
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