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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane
Autoren: Frederick Forsyth
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eines der herankommenden Schiffe zu rammen, und er wusste, dass er die Countess of Richmond nicht verlassen durfte. Seine einzige Hoffnung bestand darin, die Besatzung auszuschalten und das Schiff zu übernehmen.
    Rückwärts kletterte er die Leiter hinunter. Suleiman war dabei, hinter den Bänken seine digitale Fotoausrüstung aufzubauen. Ein Tau hing von der Reling der Countess herunter; einer der Indonesier ging zum Bug des Schnellboots, packte es und hielt das Boot in der Strömung an der Bordwand ruhig.
    Ohne die Leiter loszulassen, drehte Martin sich um, beugte sich hinunter und schlitzte das harte graue Gewebe des Schlauchboots über eine Länge von fast zwei Metern auf. Es geschah so schnell und unerwartet, dass zwei oder drei Sekunden lang niemand reagierte – nur die See. Mit leisem Zischen entwich die Luft, und mit sechs Mann an Bord begann das Boot zu krängen und schlug schnell voll.
    Martin beugte sich weiter nach außen, um das Haltetau zu kappen. Er verfehlte es, aber das Messer riss den Unterarm des Indonesiers auf. Jetzt reagierten die Männer, doch der Indonesier ließ das Tau los, und das Meer übernahm sie.
    Wütende Hände streckten sich nach ihm aus, aber das sinkende Schnellboot blieb achtern zurück. Das Gewicht des großen Außenbordmotors drückte das Heck unter Wasser, und immer mehr Salzwasser rauschte herein. Das Wrack löste sich vom Heck und verschwand in der schwarzen Nacht des Atlantiks. Irgendwo strömungsabwärts versank es einfach, von seinem Motor in die Tiefe gezogen. Martin sah Hände, die sich aus dem Wasser streckten, dann waren auch sie verschwunden. Niemand kann gegen eine Strömung von vier Knoten anschwimmen. Er kletterte wieder die Leiter hinauf.
    In diesem Moment riss Ibrahim einen der Hebel herum, die der Sprengstoffexperte ihm übergeben hatte. Während Martin noch kletterte, hörte er ein paarmal hintereinander einen scharfen Knall kleiner, explodierender Sprengladungen.
    Als Mr. Wei die Stahlkonstruktion gebaut hatte, die sich, als sechs Hochseecontainer getarnt, an Deck der Java Star von der Brücke bis zum Bug erstreckte, hatte er das Dach aus einer einzigen, an vier Stellen befestigten Stahlplatte angefertigt.
    An diesen vier Stellen hatte der Sprengstoffexperte Hohlladungen angebracht und mit Drähten verbunden, die vom Maschinenraum mit Strom versorgt wurden. Bei der Detonation hob sich der stählerne Deckel um mehrere Fuß. Die Sprengkraft der Ladungen war asymmetrisch, sodass sich der Deckel auf der einen Seite weiter öffnete als auf der anderen.
    Martin war, das Messer zwischen den Zähnen, oben an der Leiter angekommen, als die Sprengladungen detonierten. Geduckt wich er der großen Stahlplatte aus, die seitlich ins Meer rutschte. Dann steckte er das Messer ein und lief auf die Brücke.
    Der al-Qaida-Killer stand am Ruder und spähte nach vorn durch die Scheibe. Am Horizont kam mit fünfundzwanzig Knoten eine schwimmende Stadt auf sie zu – siebzehn Decks und 150000 Tonnen Licht und Stahl und Menschen. Die stählerne Konstruktion vor der Brücke lag offen unter den Sternen, und jetzt erkannte Martin, welchen Zweck sie hatte: Sie sollte nichts enthalten, sondern etwas verbergen.
    Der Halbmond kam hinter den Wolken hervor, und das ganze Vorderdeck der ehemaligen Java Star erglänzte in seinem Licht. Martin sah, dass das Schiff kein mit Sprengstoff beladener Mehrzweckfrachter war, sondern ein Tanker. Von der Brücke bis zum Bug reichte das Gewirr von Rohren, Schläuchen, Muffen und Ventilrädern, das seinen Zweck verriet.
    In gleichmäßigen Abständen bis zum Bug erkannte er sechs kreisrunde Stahldeckel – die Ventilluken – auf den sechs unter Deck befindlichen Tanks.
    »Du solltest im Boot bleiben, Afghane«, sagte Ibrahim.
    »Da war kein Platz mehr, Bruder. Suleiman wäre beinahe über Bord gefallen. Ich bin auf der Leiter geblieben, und dann waren sie weg. Jetzt werde ich hier mit dir sterben, Inshallah.«
    Ibrahim gab sich damit anscheinend zufrieden. Er warf einen Blick auf die Uhr und legte den zweiten Hebel um. Kabel führten von der Brücke hinunter zu den Batterien des Schiffs und leiteten Strom nach vorn in die Aufbauten, wo der Sprengstoffexperte, der sie durch den geheimen Zugang betreten hatte, in seinem Monat auf See gearbeitet hatte.
    Wieder detonierten sechs Sprengladungen. Die sechs Ventilluken flogen von den Tanks. Was jetzt folgte, war für das bloße Auge unsichtbar: Sechs Säulen stiegen aus den gewölbten Tanks in die Höhe wie die
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