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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund
Autoren: David Baldacci
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den kleinen Topf in eine Hand und lief zum Waffenschrank. Er suchte das verborgene Schnappschloss und drückte darauf, und die Tür schwang auf. Er nahm die Taschenlampe von der Wand und ging hinein. Die Puppe starrte ihn an. Web hing die Lampe so an einen Haken an der Wand, dass der Lichtstrahl auf die Puppe fiel. Er nahm ihr die Perücke ab und entfernte vorsichtig den Backenbart. Dann öffnete er den Kopf und trug den Farbentferner auf das Gesicht auf. Die Farbe löste sich schnell. Web machte weiter, bis die dunkle Haut weiß geworden war. Als die ursprüngliche Hautfarbe vollständig zum Vorschein gekommen war, trat Web zurück. Er hatte das Gesicht so oft gesehen, dass er es auch im Schlaf erkannt hätte, und doch hatten die wenigen Hilfsmittel, mit denen Canfield es getarnt hatte, perfekt funktioniert. Der Mann hatte zu seinem Wort gestanden. Er hatte seinen wirklichen Feind genau dorthin gestellt, wo er ihn immer finden konnte.
    Web wusste, dass er zum ersten Mal seit dem Schusswechsel in Richmond Ernest B. Free betrachtete.
    »Erinnern Sie sich an die Italiener, von denen ich Ihnen erzählt habe?«
    Web wirbelte herum, und dort stand Billy Canfield.
    »Diese Mafiosi«, fuhr Billy fort, »die mir so viel Geld angeboten haben, wenn ich ihr Diebesgut transportiere? Erinnern Sie sich, dass ich Ihnen von ihnen erzählt habe?«
    »Ich erinnere mich.«
    Canfield schien völlig verwirrt zu sein. Er sah Web nicht einmal an, sondern betrachtete Ernie, bewunderte vielleicht  seine gute Arbeit, dachte Web.
    »Tja, im Gegensatz zu dem, was ich Ihnen erzählt habe, habe ich eins dieser Angebote akzeptiert und wirklich gute Arbeit für sie geleistet. Nachdem das dann mit meinem Sohn und so weiter passiert ist, kamen sie vor etwa vier Monaten plötzlich zu mir und boten mir an, mir in Anerkennung für meine langjährige Treue gegenüber der Familie einen Gefallen zu tun.«
    »Ernest Free aus dem Gefängnis zu holen und an Sie auszuliefern?«
    »Tja, diese Italiener haben einen starken Familiensinn, und was dieser Mann meinem Sohn angetan hat...« Billy hielt inne und rieb sich die Augen. »Wie dem auch sei, Gwen hat Ihnen wahrscheinlich das kleine Haus auf dem Farmgelände gezeigt, das im Bürgerkrieg ein Hospital war.«
    »Ja.«
    »Tja, dort habe ich ihn umgebracht. Ich schickte Strait und seine Männer los, ein paar Pferde abzuholen, und setzte Gwen in ein Flugzeug zu ihrer Familie nach Kentucky, damit ich ungestört arbeiten konnte. Ich habe einige der chirurgischen Instrumente benutzt, die auch schon die Leute im Bürgerkrieg verwendet haben.« Er ging zu Free und berührte dessen Schulter. »Hab ihm zuerst die Zunge rausgeschnitten, weil er solch einen Rabatz machte. Genau das hab ich von einem kleinen Wurm wie ihm erwartet. Liebt es, andere leiden zu lassen, kann aber nicht den geringsten Schmerz ertragen. Und wissen Sie, was ich dann getan habe?«
    »Sagen Sie es mir.«
    Billy lächelte stolz. »Ich habe ihn ausgenommen, wie man einen Hirsch ausnimmt. Zuerst hab ich ihm die Eier abgeschnitten. Ich dachte mir, wer so was einem kleinen Jungen antut, der darf sich nicht Mann nennen, und wofür braucht er dann noch Eier? Können Sie diesen Gedankengang nachvollziehen?«
    Web sagte nichts, doch obwohl Billy nicht bewaffnet zu sein schien, glitt Webs Hand an den Griff seiner Pistole. Canfield schien es nicht zu bemerken, und wenn doch, schien es ihm egal zu sein.
    Er legte den Kopf auf die Seite und betrachtete seine Arbeit aus verschiedenen Winkeln. »Ich bin kein gebildeter Mensch oder so, lese nicht viele Bücher, aber es kam mir wie ausgleichende Gerechtigkeit vor, so sagt man wohl dazu, dass der alte Ernie B. Free in einem kleinen Raum hockt, durch den früher Sklaven auf dem Weg in die Freiheit gegangen sind. Aber seine wird er nie kriegen. Freiheit, meine ich. Und ich wusste jeden Tag, jede Minute, ganz genau, wo das Arschloch war, und konnte anderen Leuten mit ihm einen Schrecken einjagen, als wäre er ein kleiner Freak aus dem Kuriositätenkabinett.« Er sah Web mit dem Ausdruck eines Mannes an, der nicht mehr Teil der geistig gesunden Welt war. »Kommt Ihnen das nicht richtig vor?«
    Noch immer sagte Web nichts.
    Billy starrte ihn an und nickte. »Wissen Sie, ich würde es wieder tun. Jederzeit.«
    »Sagen Sie, Billy, wie fühlt man sich, wenn man einen Menschen tötet?«
    Canfield betrachtete ihn sehr lange. »Beschissen«, sagte er dann.
    »Hat es Ihnen etwas von dem Schmerz genommen?«
    »Kein verdammtes
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