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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag
Autoren: David Ambrose
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den Lichtstrahl in ihr Gesicht. Instinktiv hob sie eine Hand um ihre Augen zu beschatten.
    Dann begann er zu sprechen.
    »Hallo Mami. Es hat etwas gedauert, aber jetzt ist es so weit.
    Endlich alleine.«
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    HALT!«
    Das Wort schnitt mit unerwarteter Heftigkeit durch die gespannte Atmosphäre des Kabinettzimmers. Obwohl die Stimme aus dem Lautsprecher nicht lauter war als zuvor, erschien sie lauter. In der Aufforderung lag eine neue Form von Dringlichkeit.
    Jonathan Syme reagierte als Erster.
    »Entschuldigung, aber wir verstehen nicht.«
    »Sie muss nicht sterben. Ich muss mit ihr sprechen. Sie darf nicht sterben.«
    Alle Anwesenden in dem Raum blickten sich an. Obwohl der Premierminister die persönliche Verantwortung für die schreckliche Entscheidung, die er gezwungen gewesen war zu fällen, übernommen hatte, steckten sie doch auf einer niederen Ebene alle mit drin und fühlten sich als Politiker, deren wichtigstes Ziel ihre weitere Karriere war, durch die unfreiwillige Mitschuld betroffen.
    Mit der plötzlichen Zurücknahme des Befehls, den sie alle als absolut und nicht zu ändern angesehen hatten, schreckten sie auf, als ob man sie in eine Falle gelockt hätte, sodass ihre Handlungen oder der Verzicht darauf auf einmal in einem verurteilenswerten Licht erscheinen könnten.
    »Entschuldigung, könnten Sie das bitte erklären«, bat Jonathan. »Wir haben Ihre Befehle befolgt. Ändern Sie nun diese Befehle?«
    »Sie muss nicht sterben! SIE MUSS NICHT STERBEN!«
    Der Major steuerte seinen Wagen durch das Einbahnstra
    ßensystem in Richtung der Polizeiwache von St. Aldate, als sein Handy geschäftig zu klingeln begann. Das Gerät war ein technisches Wunderwerk, dazu in der Lage mehrere Anrufe gleichzeitig zu empfangen und in diesem Fall waren es drei.
    Einer kam von seinem Büro in Whitehall, einer von dem Diensthabenden, der als Verbindungsmann zwischen seinem Büro, Downing Street und den örtlichen Polizeibehörden fungierte und einer kam direkt von Jonathan Syme aus der Downing Street. Er hörte einige Augenblicke zu, nach denen er feststellte, dass er ganz automatisch weitergefahren war ohne sich später daran erinnern zu können.
    »Oh mein Gott!«, war sein ganzer Kommentar, den er einige Male zwischen unbeweglichen Lippen hervorstieß.
    Eine Gruppe von Nachtschwärmern unterbrach ihre Unterhaltung und schaute zu, wie der elegante, glänzende Wagen plötzlich mit quietschenden Reifen eine 180-Grad-Drehung vollführte und dann in falscher Richtung die Einbahnstraße, die er gerade entlanggekommen war, hinunterraste, wobei die aufgeblendeten Scheinwerfer und das andauernde Hupen alle warnen sollten aus dem Weg zu gehen.
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    ÜBER IHR KNIEND rezitierte er die Worte wie ein Priester.
    »Die ewigen Gegensätze… der Dualismus, aus dem
    alles Leben besteht… Geist und Materie, männlich und weiblich, positiv und negativ… manifestiert sich schließlich in eins und null.«
    Sie versuchte sich ein Stück zu bewegen um den Schmerz in ihrem Arm zu lindern, den er ihr auf den Rücken gedreht hatte. Sie wusste, dass sich in seiner anderen Hand das Messer befand. Sie dachte an Reportagen, die sie gelesen hatte, von Menschen, die von wilden Tieren angegriffen worden waren oder Auto- oder Flugzeugunglücke miterlebt hatten und dann berichteten, wie die Zeit sich verlangsamte, ja fast stehen blieb und alles bedeutungslos wurde. Ein frommer Wunsch, dachte sie sich. Wenn doch bloß alles schon aus wäre.
    »Du hast das Geheimnis durchschaut«, predigte Price weiter, »doch du hast nicht verstanden, dass von ihm alle Macht ausgeht und wir nur ein Ausdruck seiner Existenz sind… «
    Er hielt inne, doch der Schmerz in ihrem Arm nicht. Dann hörte sie ein entferntes Knattern über sich, das näher kam. Mit dem Gesicht auf dem Boden konnte sie nichts sehen, aber sie konnte seine Bewegungen spüren. Er lehnte sich zurück, reckte den Hals und sah nach oben.
    Ein Lichtstrahl glitt über sie, doch er kam nicht von oben, sondern über den Boden und damit einher ging das Motorengeräusch eines Autos, das sich mit dem Röhren des landenden Hubschraubers vermischte. Etwas Unerwartetes ging hier vor, womit sie nicht gerechnet hatte. Auch nicht der Mann, der sie auf den Boden drückte und ihr ein Messer an den Hals hielt, wie sie an den gemurmelten Flüchen feststellen konnte.
    Der Major kurbelte am Lenkrad um die Scheinwerfer wieder auf den Punkt zu richten, wo er sie für den Bruchteil einer Sekunde gesehen hatte. Der Mann kniete
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