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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer
Autoren: Steve Mosby
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ein freier Tag. Ihre private Arbeitswoche war gestern zu Ende gegangen.
    »Moment.«
    Eileen betrachtete sich flüchtig in einer der Glasscheiben an den Küchenschränken. Sie neigte dazu, sich ein bisschen gehenzulassen, wenn sie keine Termine hatte. Eitel war sie nicht, trotzdem war es ihr wichtig, ihren Patienten gegenüber die nötige Professionalität zu wahren. Besonders bei der psychologischen Beratung war es erforderlich, dass alle privaten Auskünfte nur in eine Richtung flossen. Sie sah ein bisschen nachlässig aus, in Jeans und Bluse, aber ihre Frisur war in Ordnung. Wenigstens hatte sie nicht gerade eine Gesichtsmaske aufgelegt.
    Wieder ein Klopfen …
    »Ich sagte, einen Moment.«
    Doch es klopfte unentwegt weiter. Eileen ging hinüber, halb besorgt und halb ärgerlich. Als sie die Tür erreichte, drängte sie das zweite Gefühl so weit wie möglich zurück. Noch viel weniger als eine Gesichtsmaske durfte man einer Therapeutin offensichtlichen Ärger ansehen.
    Bevor sie öffnete, sah sie durch den Spion.
    James Reardon stand auf der Schwelle.
    Eine Hand in der Tasche, schien er ungeduldig herumzuhampeln: Er sah nervös die Einfahrt entlang, als halte er nach jemandem Ausschau.
    Eileen streckte die Hand aus, um die Sicherheitskette abzunehmen, zögerte dann jedoch. Sie hatte jetzt seit mehr als einem Jahr immer wieder mit Reardon gearbeitet, und er war einer ihrer wenigen Privatpatienten, die vorbestraft waren und einen echten Hang zur Gewalttätigkeit hatten. Bei ihrer Kliniktätigkeit war sie an so etwas gewöhnt, aber es lag in der Natur der Sache, dass diese immer in einer sichereren Umgebung stattfand. Diesen Leuten hätte sie nie Zutritt zu ihrem Haus gewährt, selbst wenn es ihnen erlaubt worden wäre, sie zu besuchen.
    In James Reardons Fall aber wusste sie, dass beide Probleme hauptsächlich an seiner familiären Situation und am Alkohol lagen. Bei ihren Sitzungen war er stets ruhig, höflich und respektvoll gewesen. Reardon war ein verwirrter und zorniger junger Mann, doch er war auch intelligent; er schien sich wirklich für den Prozess zu interessieren und war entschlossen, sich einzubringen. Sie hatte oft erlebt, dass er von den Dingen, über die sie sprachen, aufgewühlt war, und hatte doch nie das Gefühl gehabt, in Gefahr zu sein. So wie jetzt jedoch hatte sie ihn noch nie gesehen.
    Eileen öffnete die Tür, nahm aber die Sicherheitskette nicht ab. Reardon fuhr abrupt zu ihr herum.
    »Eileen.«.
    »Hallo, James«, sagte sie vorsichtig. »Tut mir leid, ich glaube, wir haben heute keinen Termin.«.
    »Ich weiß. Es tut mir leid.« Er sah nochmals zur Seite und richtete dann den Blick wieder auf sie. Sein Gesichtsausdruck war ängstlich und traurig.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es mir leid tut.«.
    »Was tut Ihnen leid, James?«.
    »Ich hab mir solche Mühe gegeben, wirklich. Im letzten Jahr war es so schwer.«.
    »Ich weiß.«.
    »Aber Sie haben mir wirklich geholfen, ehrlich. Sie waren der einzige Mensch, der für mich da war.«
    Sie ließ sich nichts anmerken, doch was er da sagte, verfälschte ihre Beziehung ein bisschen. Unter normalen Umständen hätte sie ihn taktvoll korrigiert. Er bezahlte dafür, dass sie für ihn da war, doch es war eine ganz besondere Art von Unterstützung, die nichts Schwierigeres als bloßes Zuhören erforderte. Sie gewährte ihm den Raum, um die Bruchstücke seines Lebens zu verstehen, ein kleines Stück nach dem anderen. Aber sie war keineswegs mit ihm befreundet.
    »Sie haben sich selbst geholfen«, entgegnete Eileen.
    Er schüttelte den Kopf: Das hat nichts zu sagen.
    »Ich will nur, dass Sie wissen, ich habe es wirklich versucht. Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich hätte Sie hängenlassen.«
    Eileen runzelte die Stirn. »James, was ist denn los?«.
    »Sie dürfen nicht vergessen, was immer ich letztendlich tue, ich tue das alles für Karli.«
    Sofort schrillten bei ihr die Alarmglocken. Karli, Reardons kleine Tochter, war aus einer kurzen Versöhnung mit seiner Ex-Frau Amanda hervorgegangen. Soweit Eileen wusste, war die Beziehung von Anfang an unbeständig gewesen, aber ihre zwei Kinder hatten als Brücke gedient, die verhinderte, dass sie glatt auseinanderbrach. Sogar jetzt noch behauptete Reardon, Amanda sei als Mutter ungeeignet, aber der Richter hatte für sie Partei ergriffen und James schließlich verwehrt, seine Kinder zu sehen.
    Es stand Eileen nicht zu, darüber zu urteilen. Ihr Beruf verlangte, dass sie vollkommen neutral blieb und
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