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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli
Autoren: Christian Ditfurth
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in sein Bewusstsein. Die Idee zog einen Schluss aus seiner Verzweiflung. Udets Weg war zu leise für den Mann, der Minsk ausgerottet hatte. Für den Mann, den Himmler als seinen Vollstrecker betrachtete.
    Ungeduldig wartete Zacher auf den Sonnenaufgang. Er trank keinen Schluck. Jetzt, da er wusste, was er tun musste, fühlte er sich leicht. Nie hatte er solche Klarheit im Kopf verspürt. Als die Morgendämmerung die Dunkelheit aus der Küche vertrieb, ging Zacher ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht. Er kämmte sich die Haare und richtete seine Uniform. Er verließ das Haus, ohne abzuschließen, und setzte sich in seinen Dienstwagen. Er brauchte keine halbe Stunde zum Flugplatz bei Strausberg. Von weitem sah die He 333 aus wie ein Rieseninsekt. Die Soldaten der Wache salutierten. Zacher parkte den
    Mercedes vor dem Flughafengebäude. Er betrat den Kontrollraum.
    »Achtung!«, brüllte der wachhabende Offizier.
    »Weitermachen!«, befahl Zacher. Er begrüßte den Hauptmann mit Handschlag: »Wie ist das Wetter heute?«
    »Ausgezeichnet, Herr General!«
    »Na, dann wollen wir mal den Wundervogel testen«, sagte Zacher.
    »Jawohl, Herr General!«
    »Sorgen Sie dafür, dass die Maschine aufgetankt wird. Und beladen Sie sie mit Bomben. Mal ein bisschen Ernstfall spielen.«
    Der Hauptmann grinste kurz, er kannte Zachers Kapriolen. Und er wusste, bei der Luftwaffenführung genoss der General Narrenfreiheit.
    »Jawohl, Herr General!«
    Zacher verschwand im Umkleideraum. Er nahm die Fliegerkombi aus seinem Spind und zog sich um, dann verließ er das Gebäude und ging zum Flugzeug. Mehrere Soldaten machten sich an der Maschine zu schaffen. Als sie Zacher bemerkten, nahmen sie Haltung an, ein Unteroffizier meldete: »Maschine betankt, Bombenbeladen in einer Viertelstunde beendet.«
    Zacher grüßte zurück und kletterte mit Schwung die Leiter hoch zur seitlichen Luke des Flugzeugs. Er verschloss die Luke von innen und setzte sich in den Pilotensitz. Dann schaltete er das Funkgerät ein und studierte intensiv die Armaturen der Heinkel. Er war vor einigen Monaten einmal auf dem Kopilotensitz in diesem Typ mitgeflogen. Normalerweise ließ man Piloten erst nach einem Lehrgang an den Steuerknüppel einer neuen Maschine. Aber wer sollte es auf dem Flugplatz wagen, ihn nach seiner Flugberechtigung zu fragen?
    »Herr General, Flugzeug beladen«, sagte eine Stimme im Kopfhörer des Funkgeräts.
    »Dann wollen wir mal«, sagte Zacher.
    Die BMW-Turbinen sprangen sofort an. Er drückte den Schubhebel leicht nach vorn, die Triebwerke pfiffen und dröhnten. Der Riesenvogel zitterte, dann bewegte er sich. Zacher steuerte ihn vorsichtig zur Startbahn. Er spürte das ungeheure Gewicht der Maschine. Er brachte die Maschine in Startposition, dann drückte er den Schubhebel hart nach vorn. Das Pfeifen wurde laut, die Maschine beschleunigte, es drückte Zacher in seinen Sitz. Sie hob ab, er zog sie steil nach oben. Als er neuntausend Meter erreicht hatte, flog er in westlicher Richtung. Die Sicht war klar, kaum eine Wolke am Sommerhimmel. Unter ihm Brandenburg, Wolfsburg, dann Hannover. Er drehte die Heinkel nach Südwesten. Bald war er über Detmold. Er ließ den Bomber auf dreitausend Meter sinken und nahm Schub weg. Er erreichte Paderborn, zweitausend Meter. Er flog eine Schleife, dann sah er sein Ziel, Deutschlands einzige Dreiecksburg, sie war nicht zu verfehlen. Er kreiste über der Burg und ließ die Maschine sinken. Auf dem Hof der Burg erkannte er einen Pulk Menschen. Die Maschine verlor weiter an Höhe. Zacher sah einige Menschen winken. Sie trugen Uniformen.
    Vielleicht war sogar Himmler unter ihnen. Er zog noch eine Schleife. Mit der Sonne im Rücken begann er seinen Anflug. Die Maschine sank. Minsk fiel ihm ein, die Nacht über Minsk. Er dachte an Irma und Josef. Warum hatte Irma darauf bestanden, ihren Sohn Josef zu nennen? Unsinnige Gedanken. Die Burg kam näher. Er stellte die Steuerung fest, schnallte sich ab und eilte zum Zielgerät am Platz des Bombenschützen. Als der Hof auftauchte in der Optik, zog er den Abwurfhebel. Die Maschine vollführte einen Satz nach oben, als sie die schwere Last verlor. Zacher setzte sich wieder auf den Pilotensitz und flog eine weitere Schleife. Feuer und schwarzer Rauch, es blitzte, Staubwolken türmten sich über der Abwurfstelle. Zacher zog die Maschine hoch auf viertausend Meter und wendete. Als er unter sich wieder die qualmende Steinwüste sah, riss er den Steuerknüppel nach vorn. Die
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