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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli
Autoren: Christian Ditfurth
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Maschine kippte nach unten. Sie wurde immer schneller. Zacher sah Feuer und Qualm vor sich. Dann schloss er die Augen.
    ***
    Sie waren nervös, die Helden des Großen Vaterländischen Kriegs. Georgi Schukow, der Sieger von Moskau, Kursk und Stalingrad, Sowjetrusslands bester Marschall, trippelte unruhig über den Marmorboden. Marschall Rodion Malinowski, der die Deutschen aus Rumänien, Ungarn und der Tschechoslowakei vertrieben hatte, lehnte sich an eine Wand und schaute an die Decke, dann auf das Bild Lenins. Neben Grujewitsch auf der Bank saß Generaloberst Kyril Moskalenko, Oberbefehlshaber des Moskauer Militärbezirks. Das Präsidium der Partei diskutierte über militärische Fragen. Viele im Kreml wussten, es ging um die militärische Frage schlechthin, um den Pakt mit Deutschland. Zwei mit Kalaschnikows bewaffnete Wachtposten standen vor der Tür des Sitzungssaals.
    Grujewitsch stellte sich vor, wie Berija im Präsidium auftrumpfte. Er allein hatte ein außenpolitisches Konzept, die Sowjetunion würde wieder auferstehen dank seines genialen Schachzugs. Die Historiker würden Berijas Deutschlandreise dereinst als einen Wendepunkt bezeichnen in der Geschichte der Sowjetunion. Er dachte an Anna, nachher gleich würde er in den Laden für ZK-Mitarbeiter gehen und ihr etwas Schönes kaufen.
    Eine laute Stimme: »Ich habe eine dringende Botschaft für die Genossen des Präsidiums! Genossen, lassen Sie mich sofort hinein!«
    Grujewitsch kannte den Mann. Er war Mitarbeiter des Sekretariats des Parteipräsidiums. Seine Stimme klang hysterisch, er wedelte mit einem Zettel in seiner Hand. Einer der beiden Wachtposten klopfte an die Tür. Sie wurde leise von innen geöffnet. Grujewitsch hörte einen Augenblick Berijas Stimme. Sie klang fast fröhlich. Der Sekretär reichte seinen Zettel in die Türspalte, wo eine Hand nach dem Papier griff. Dann schloss sich die Tür. Höchstens eine Minute später wurde die Tür wieder geöffnet und der aufgeregt zitternde Sekretär schlüpfte durch den Spalt.
    Dann sah Grujewitsch die Soldaten. Sie kamen die Treppe hoch, angeführt von einem Major. Der baute sich vor Moskalenko auf und meldete militärisch. Moskalenko deutete mit einer kurzen Bewegung seines Kopfs in Grujewitschs Richtung. Der Major eilte zu Grujewitsch, nahm Haltung an und sagte mit strenger Stimme: »Boris Michailowitsch Grujewitsch, ich verhafte Sie im Auftrag des Präsidiums der KPdSU.«
    Grujewitsch verstand nicht. Er sah, wie die Soldaten in den Sitzungsraum eindrangen. Wenige Minuten später führten sie Berija hinaus, in Handschellen. Zwei Mann mit angelegten Maschinenpistolen zwangen ihn die Treppe zum Ausgang hinunter. Berija schaute kurz zu Grujewitsch. Er sagte kein Wort. Entsetzen stand in seinem Gesicht.
    Am selben Abend wurde Grujewitsch aus seiner Zelle im Keller der Lubjanka dem Untersuchungsrichter vorgeführt, einem kleinen Mann mit einem klugen Gesicht.
    »Sie werden angeklagt der Konspiration gegen die verfassungsmäßige Ordnung der UdSSR«, sagte der Untersuchungsrichter. Er kritzelte etwas auf einen Block, den er vor sich auf dem Schreibtisch liegen hatte. Dann schaute er Grujewitsch kalt an.
    Grujewitsch saß ihm auf einem Stuhl gegenüber und mühte sich, dem Blick standzuhalten. Es gelang ihm nicht. »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, antwortete er.
    »Das ist mir egal«, sagte der Untersuchungsrichter. »Sie werden beschuldigt, gemeinsam mit dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats Berija Landes-und Hochverrat begangen zu haben. Sie haben mit der faschistischen SS und ihrem Reichsführer Himmler ein Komplott gegen die Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion geplant. Dabei haben Sie eine zentrale Rolle gespielt, weil Sie das Zusammentreffen des Volksfeinds Berija mit Himmler vorbereitet haben. Berija behauptet sogar, Sie hätten ihn dazu überredet, ein Bündnis mit Deutschland zu schließen.« Der Untersuchungsrichter lächelte. »Aber das halte ich für eine Ausrede. Haben Sie zu diesen Vorwürfen etwas zu sagen?«
    Grujewitsch beobachtete verwundert die Gleichgültigkeit, mit der er die Worte des Untersuchungsrichters aufnahm. Es ging um seinen Kopf, es ging all die Jahre um seinen Kopf. Tief in seinem Inneren hatte er immer gewusst, eines Tages würden sie ihn greifen. Nun hatten sie ihn gegriffen.
    »Wollen Sie etwas sagen?«
    Grujewitsch machte sich nichts vor. Sie würden ihn anklagen, in einem Geheimprozess zum Tod verurteilen und gleich danach
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