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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli
Autoren: Christian Ditfurth
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offen. Drinnen erklangen Männerstimmen.
    »Guten Tag!«, sagte Zacher laut. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
    Ein hagerer Mann in einem ausgebeulten braunen Anzug kam
    aus der Küche. »Sie sind General von Zacher«, sagte er mit einem Blick auf Zachers Uniform.
    Zacher nickte.
    »Sicherheitsdienst, Oberführer Keller«, sagte der Mann. Er zog ein Stück Papier aus der Innentasche seines Jacketts, faltete es auseinander und hielt es Zacher hin.
    Zacher las die Überschrift: Durchsuchungsbefehl.
    »Wo ist meine Frau? Wo ist mein Sohn?«
    »Die werden verhört«, sagte Keller ruhig. »In der Prinz-Albrecht-Straße.«
    Zacher schluckte, es tat weh. Dann fasste er sich wieder.
    »Was geht hier vor?«, fragte er streng.
    »Ihre Frau hat einem Staatsfeind Unterschlupf gewährt.«
    Zacher starrte den SD-Offizier ungläubig an. »Sie behaupten, meine Frau hat hier einen Staatsfeind versteckt? Sie sind wahnsinnig!« Er wurde laut.
    Als hätte er sie gerufen, kamen vier weitere Männer in den Flur. Zwei trugen SD-Uniformen. Einer hielt die Hand an seiner Pistolentasche.
    »Ich will meine Frau sehen! Sofort!«, brüllte Zacher.
    »Das geht nicht, Herr General. Vielleicht nächste Woche.«
    »Ich will meinen Sohn sehen!«
    »Das geht nicht, Herr General. Er ist möglicherweise Zeuge eines Staatsverbrechens.«
    »Sie haben meinen Sohn verhaftet und in die Prinz-Albrecht- Straße gebracht?«
    »Das war unsere Pflicht.« Keller war die Ruhe selbst.
    »Sie wollen meine Frau anklagen?«
    »Ich fürchte, wir müssen es. Sie hat Landesverrat begangen, vielleicht auch Hochverrat.«
    »Und mein Sohn?«
    »Ist vielleicht Zeuge des Verbrechens.«
    »Er soll gegen seine Mutter aussagen.«
    »Das wäre hilfreich.«
    »Und wen soll sie versteckt haben?«
    »Einen ehemaligen SS-Offizier namens Werdin.«
    Zacher wurde selbst davon überrascht, er schlug Keller ansatzlos die Faust ins Gesicht. Keller stürzte zu Boden. Sofort fielen die SD-Leute über Zacher her. Er hatte keine Chance. Sie drehten ihm die Arme in den Rücken, Handschellen klickten. Keller stand auf, wischte sich mit einem schmutzigen Taschentuch Blut von Oberlippe und Nase und sagte ruhig zu seinen Leuten: »Nein, nein, Handschellen brauchen wir nicht. Der Herr General ist erregt, ich kann es verstehen. Ich bin sicher, Herr General, Sie werden bald einsehen, dass wir Recht haben. Sie haben doch nicht für unser Vaterland gekämpft, damit die eigene Frau es an den Feind verkauft. Herr General, wenn ich bitten darf.« Er führte Zacher in die Küche. »Hier sind wir schon fertig«, sagte er und setzte sich auf einen Stuhl. Er bedeutete Zacher, ebenfalls Platz zu nehmen. Mit einem Wink des Zeigefingers schickte er seine Leute weg.
    »Macht oben weiter«, sagte er. »Und beeilt euch.« Dann wandte er sich an Zacher. »Der Reichsführer persönlich hat mich schärfstens ermahnt, Ihnen keine überflüssigen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Er hält große Stücke auf Sie. Ohne Ihren großartigen Flug nach Minsk wäre unser Vaterland untergegangen. Der Reichsführer ließ die Uranbombe bauen, und Sie brachten sie ins Ziel. So sollten SS und Luftwaffe immer zusammenarbeiten.«
    Zacher hätte schreien können. Diese verdammte Ohnmacht. Seine Arme und Beine waren taub. Er hörte Kellers Gerede aus weiter Ferne. Er wusste nicht, wie lange die Schnüffler brauchten, um das obere Stockwerk des Hauses zu durchsuchen. Irgendwann sagte Keller: »Wir sind fertig, Herr General. Ich muss Sie leider bitten, recht bald in die Prinz-Albrecht-Straße zu kommen. Wir benötigen Ihre Aussage.«
    »Darf ich dann meine Frau sehen?«, hörte Zacher sich fragen.
    »Das wird leider nicht gehen.«
    Keller stand auf und ging grußlos. Zacher hörte die Haustür zufallen. Gedanken schwirrten ihm im Kopf herum. Er sah sich wild herumschießen im Prinz-Albrecht-Palais. Er hatte seine Frau und seinen Sohn verloren an einen ehemaligen SS-Mann. So musste es sein. Mit diesem Mann, dem Vater seines Sohnes, wollte Irma damals fliehen. Und jetzt war er zurückgekehrt. Und Irma hatte sich wieder mit ihm eingelassen. Wäre sie sonst verhaftet worden? Hätte sich sonst die SS in sein Haus gewagt, in das Haus des Kriegshelden, dem seine Vorgesetzten nachsahen, dass er sich zu Tode soff wie einst Ernst Udet, Görings Generalluftzeugmeister, auch wenn der am Ende mit der Pistole nachgeholfen hatte? Zacher saß Stunden ohne Regung auf seinem Stuhl in der Küche und starrte an die Wand. Irgendwann in der Nacht drang eine Idee
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