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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief
Autoren: Lucie Klassen
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Kaktus zerplatzen zu lassen.
    Ich bückte mich nach meinem Rucksack. Also zurück zu Plan A: der Bahnhofseingang.
    »Morgen früh bist du verschwunden, verstanden? Keine Drogen und kein Alk – und denk nicht mal dran, auch nur einen Kugelschreiber mitgehen zu lassen!«
    Erschrocken fuhr ich herum. Ich hatte nicht gemerkt, dass Danner die Tür hinter mir wieder geöffnet hatte.
    »Beweg dich, bevor ich es mir anders überlege!«, knurrte er ungeduldig, als ich zögerte.
    Ich beeilte mich, hinter ihm herzustolpern.

4.
    Die Wohnungstür führte direkt in einen Raum, der anscheinend Büro und Wohnzimmer zugleich war.
    Vor dem Fenster sah ich einen Schreibtisch, darauf PC, Scanner, Drucker und ein paar Ablagen, randvoll mit losen Blättern. Auf dem Boden daneben wuchs ein Aktenberg bis in Augenhöhe. Das Regal, das eine ganze Zimmerwand füllte, war vollgestopft mit Aktenordnern, Papierstapeln und einzelnen Zetteln.
    Mitten im Zimmer auf dem hellen Teppich standen ein altes, graues Sofa und ein Sessel. Davor ein niedriger Couchtisch mit schwarzer Granitplatte, auf dem ich zwei leere Bierflaschen und eine Socke bemerkte.
    An der Wand hing ein Flachbildfernseher (Fünfzig-Zoll-Bildschirm, für eine Männerwohnung wohl wichtiger als die Dusche), darunter befanden sich der digitale Sat-Receiver, Video- und DVD-Rekorder und die Stereoanlage. Und in einer Vitrine entdeckte ich Flaschen verschiedener Hochprozentiger plus die passenden Gläser.
    Drei Türen hatte der Raum. Und drei Fenster. Auf den Fensterbänken türmten sich neben vereinzelten Topfpflanzen weitere Akten, die den Stapel neben dem Schreibtisch wohl zum Einstürzen gebracht hätten.
    Danner war durch eine Tür verschwunden, hinter der ich alte, bräunliche Fliesen erkennen konnte.
    Das Bad.
    Ich stellte meinen durchweichten Rucksack neben das Sofa auf den hellen, nicht mehr ganz sauberen Teppich.
    »Hier!« Ein Handtuch flog auf mich zu.
    Ich fing es auf.
    Der Detektiv hatte außerdem ein Kissen mitgebracht und ging an mir vorbei zum Sofa. Ich beobachtete ihn, während ich mir die Haare trocken rieb.
    Er war doch etwas größer als ich. Nachdenklich betrachtete ich die Breite seiner Schultern und den Umfang seiner Arme. Sogar unter dem schwarzen Rolli konnte ich seine Muskeln erkennen und es waren nicht wenige.
    Der Kerl hatte Kraft.
    Mehr als ich in jedem Fall.
    Automatisch wanderte mein Blick zur Wohnungstür. Er hatte die Sicherheitskette vorgelegt.
    War ich eigentlich vollkommen bescheuert, mich von so einem schrägen Typen in seiner Wohnung einschließen zu lassen? Der konnte alles sein, vom Drogendealer bis zum Psychopathen – wobei ich ihm, wenn ich darüber nachdachte, den Psychopathen eher zutraute.
    Natürlich hütete ich mich, mir meine Überlegungen anmerken zu lassen. Ich rubbelte meinen Nacken trocken.
    »Häng die nassen Klamotten ins Bad. Hast du was anderes dabei?«
    Ich warf einen Blick auf meinen Rucksack, um den herum sich ein gut sichtbarer, nasser Fleck auf dem hellen Teppich ausbreitete.
    Danner verfolgte meinen Blick und verdrehte die Augen: »Du gehst mir jetzt schon auf den Sack! Über der Wanne hängen saubere Pullis. Hast du wenigstens schon gegessen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »War klar«, brummte er missmutig.
    Ich klemmte meinen Rucksack unter den Arm und lief ins Badezimmer. Die Tür drückte ich hinter mir zu, aber es gab keinen Schlüssel. Der Raum war eng, zwischen Klo, Waschbecken und Badewanne konnte man sich gerade noch umdrehen. Die alten Fliesen waren teilweise gerissen und bei genauerer Betrachtung nicht braun, sondern beige – was den Gesamteindruck aber nicht positiv beeinflusste.
    Die geöffneten Türen des Schrankes unter dem Waschbecken dienten als Handtuchhalter und zwischen den Stapeln von Badelaken im Innern entdeckte ich weitere Aktenordner. Die Duschgelflaschen der letzten zwei Jahre stapelten sich auf dem Badewannenrand. Darüber schwebte ein ausziehbarer Wäschehalter, auf dessen durchhängenden Leinen immer mindestens zwei Pullover übereinander hingen. Alle waren trocken. Anscheinend nahm Danner nur den herunter, den er gerade tragen wollte.
    Ich griff ein paar seiner Pullis, um Platz für meine eigenen Klamotten zu schaffen. Danners Sachen waren allesamt dunkel: schwarz, marineblau und anthrazit.
    Auch das sprach eher für den Psychopathen.
    Mein lila Wollrolli wirkte zwischen seiner Wäsche wie ein Papagei, der mit einem Schwarm Raben nach Süden ziehen wollte. Nachdem die Kleidungsstücke, die ich
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