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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief
Autoren: Lucie Klassen
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Hosentasche in die Hand.
    Eine Sekunde lang starrte er auf das Geld. Dann hielt er sich das Pappschild über den Kopf und rannte durch den Regen davon. Die beiden Hunde sprangen auf und trotteten ihm, dicht an die Hauswand gedrückt, nach.

3.
    Schnell nahm ich den frei gewordenen Platz des Obdachlosen ein und stellte mich selbst unter. Einen Augenblick lang betrachtete ich den ungepflegten Biergarten direkt an der Straße. Die drei Tische und die bunten Plastikstühle waren schon vor Wochen im Laub einer einzelnen Eiche versunken.
    Ich warf einen Blick auf das matt beleuchtete Schild über der Tür. Bei Molle hieß der Laden. Daneben wurde für eine Biermarke geworben, deren Namen ich noch nie gehört hatte.
    Nicht mal ein Bier konnte ich mir jetzt noch leisten. Und ohne ein Glas in der Hand würde ich mich da drinnen nicht aufwärmen dürfen.
    Mein Blick streifte die Briefkästen im Eingang. J. Schröder stand an dem einen Blechkasten. Er hatte eine Beule. B. Danner – Privatdetektei las ich auf dem zweiten und merkte, wie sich im gleichen Moment mein Gehirn in Gang setzte.
    Ich hatte eine Idee!
    Nein.
    Das konnte nicht mal ich bringen.
    Oder doch?
    Wenn ich die Nacht nicht im Bahnhofseingang verbringen wollte, wurde es Zeit, dass ich eine Unterkunft fand. Und das Wort ›Privatdetektei‹ hatte meine Neugier geweckt.
    Mein Vater konnte Schnüffler nicht ausstehen. Als Staatsanwalt hatte er öfter mit privaten Ermittlern zu tun. Die Verteidigung beauftragte sie, Entlastungsmaterial für die Angeklagten zu beschaffen, und mein Vater explodierte regelmäßig vor Wut darüber. Er selbst vermied jeden Kontakt zu Privatdetektiven und verließ sich ausschließlich auf seine Polizisten.
    Ich hatte noch keinen Detektiv persönlich kennengelernt. Meine Vorstellung von dem Beruf basierte daher auf Fernsehserien und den Berichten meines Vaters. Deshalb retteten Privatdetektive in meiner Fantasie hauptsächlich schöne Heldinnen aus bedrohlichen Situationen, trieben den bösen Oberstaatsanwalt in den Wahnsinn und ähnelten alle irgendwie Pierce Brosnan.
    Ich würde es mit B. Danner versuchen.
    Zugegeben, ich hatte schon besser ausgesehen. Ich war klitschnass, meine Nase rot gefroren – und wenn ich geahnt hätte, dass es nötig sein würde, hätte ich etwas Figurbetonteres als einen knielangen, lila Wollpulli getragen.
    Aber wenn B. Danner männlich war, besaß er ein Mindestmaß an Beschützerinstinkt. Und dann reichten meine blauen Augen aus, damit er mich nicht im Regen stehen ließ.
    Wenn B. Danner nicht männlich war, dann hoffentlich lesbisch.
    In meiner Jackentasche fand ich neben zwei Tampons und meinem angenagten Federhalter auch den Umschlag, aus dem ich im Zug die Einschreibung für die Uni gezogen hatte.
    Welche Adresse hatte dieses Haus?
    Annastraße 28.
    So ordentlich, wie es mit vor Kälte steifen Fingern möglich war, kritzelte ich die Anschrift als Absender auf das Kuvert. Meine Jacke zog ich aus, schnallte sie an meinen Rucksack und stellte fest, dass mein durchnässter Pulli doch ziemlich figurbetont an meinem Busen und meinen Hüften klebte.
    Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare und wischte mit dem Ärmel unter meinen Augen entlang, um die mit Sicherheit verlaufene Wimperntusche zu beseitigen. Schließlich wollte ich nur ein bisschen männlichen Beschützerinstinkt hervorrufen, keinen Herzinfarkt vor Schreck.
    Dann trat ich in den Hausflur.
    Gedämpfte Musik drang durch eine zerkratzte, alte Tür. Dort ging es in die Gaststätte.
    Ich schaltete das Licht ein.
    An die Wand gegenüber hatte jemand übergroß FUCK gesprayt. Es dauerte eine Weile, bis ich daneben das schmale, kleine Schild mit den schlichten schwarzen Buchstaben entdeckte:
    Detektei Danner
Zweiter Stock
    Werbeposter und Leuchtreklamen schienen in diesem Gewerbe nicht notwendig zu sein.
    Ich stieg die Treppe hinauf.
    Was ich hier versuchte, widersprach allen Du-darfst-aufkeinen-Fall-trampen- und Sprich-nie-mit-fremden-Männern-Regeln, die man mir je eingetrichtert hatte.
    Die Du-darfst-auf-keinen-Fall-trampen-Regel hatte ich allerdings schon vor zwei Jahren gebrochen, als ich in den Sommerferien auf diese Weise bis Rom gekommen war.
    J. Schröder las ich neben der Klingel im ersten Stock.
    Ich folgte der Treppe weiter hinauf. Sie endete vor einer Wohnungstür. Wieder dauerte es einen Augenblick, bis ich das schmale Schildchen mit dem Hinweis auf die Detektei direkt unter der Klingel entdeckte.
    Drinnen brannte Licht, ich konnte es
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