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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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Abteilungsleitern vorgeschlagen, präzise Markierungen anzubringen. Wir hofften, durch diese Methode zu erfahren, ob Akten und Dokumente angetastet oder entwendet werden, und wenn ja, welche! Nun, jetzt wissen wir mit absoluter Sicherheit, daß gewisse Dokumente tatsächlich verschwunden sind!«
    »Wieviele?«
    »Ungefähr fünfzig.«
    »Was sagen Sie da? Fünfzig! Mich laust der Affe! Das ist ja Wahnsinn! Das darf nicht wahr sein!«
    »Doch, leider mon colonel!«
     
    Der junge Beamte senkt die Augen, bereit, sich in sein Schicksal zu fügen. Er muß das Gewitter über sich ergehen lassen — ohne Widerrede. Er ist an die Wutausbrüche des Colonels gewöhnt und wartet ergeben ab, bis der Sturm sich legt. Colonel Hatz beruhigt sich meist ebenso schnell, wie er explodiert:
    »Um welche Art von Dokumenten handelt es sich überhaupt?«
    »Och... quer durch den Gemüsegarten. Wir können uns keinen Reim darauf machen! Aber es sind immer nur Kopien auf Durchschlagpapier — keine Originale.«
    »Kopien? Wovon?«
    »Nun, zum Beispiel von Depeschen, auch von Berichten des Generalstabs über die militärischen Folgen der Streikbewegungen im öffentlichen Dienst...«
    »Und was noch?«
    »Tja, auch die Kopie der vertraulichen technischen Beschreibung, die die britische Armee von unserem neuen Panzer angefordert hat.«
    »Verdammt! Das nimmt ja gewaltige Ausmaße an! Wir müssen sofort den Minister informieren!«
    Und schon greift Colonel Hatz zum Telefon und löst damit eine der erstaunlichsten Spionage-Affären aus, die Frankreich während der Nachkriegszeit erlebte.
     
    Erster Tag der Untersuchungen über die undichten Stellen im Pariser Kriegsministerium: Ein junger Offizier des Dechiffrierbüros — besonders brillant und karrierebewußt — bekommt den Auftrag, möglichst schnell und selbstverständlich sehr diskret, den Spion zu entlarven. Er genießt das unumschränkte Vertrauen des Ministers. Wahrscheinlich so ein protegierter Sprößling der besten Gesellschaft. Er tritt auch entsprechend arrogant auf. Ein Militär der Neuen Schule — sportlich und lässig, ganz und gar unkonventionell. Er birst vor Tatendrang und weiß auch immer seinen Charme da einzusetzen, wo es ihm vorteilhaft erscheint. Er heißt Bujard. Oberleutnant Bujard.
     
    An diesem Novembermorgen betritt er also zum ersten Mal das Kriegsministerium und stolziert siegesbewußt an der Wache vorbei. Er winkt sogar dem durchgefrorenen Gefreiten freundlich zu, der seit Stunden wie ein Zinnsoldat neben dem Tor Wurzeln schlägt.
    Den ersten Menschen, den Bujard im Gebäude trifft, braucht er nicht zu grüßen — es ist ja nur die Putzfrau.
    Den ganzen Tag lang schlendert er ungeniert und bestens gelaunt durch alle Gänge des Ministeriums, stellt sich bei jedem vor, wechselt hier einige freundliche Worte, plaudert da mit den Damen — auch mit den älteren — und ist am Abend überzeugt, das gesamte Personal für sich gewonnen zu haben. Wer sollte ihm schon widerstehen können! Er macht Konversation, redet über Gott und die Welt — nur nicht über die besagten Dokumente. Alles zu seiner Zeit. Zuerst sich mal beliebt machen, dann die Nase in die Akten stecken.
    Am folgenden Tag erwartet ihn eine unangenehme Überraschung. Colonel Hatz — Militär der Alten Schule — wünscht unverzüglich, den ersten Bericht des Sonderbeauftragten zu sehen — sofort. Er befiehlt ihn also zu sich: »Oberleutnant, etwas Neues?«
    »Noch nicht.«
    »Auch nicht über die Dokumente, die heute Nacht verschwunden sind?«
    »Heute Nacht?«
    »Wer soll hier den Spion fassen? Sie oder ich? Machen Sie sich gefälligst an die Arbeit!«
    »Zu Befehl, mon colonel! Aber ich werde nach meiner eigenen Methode vorgehen! Übrigens... in dieser Angelegenheit bin ich Ihnen keine Rechenschaft schuldig. Ich unterstehe einzig und allein dem Minister!«
     
    Als er die Treppen bis zum siebten Stock hinaufgeht, wo für ihn, gleich unter dem Dachboden, eine Abstellkammer als Büro eingerichtet worden ist, macht sich Oberleutnant Bujard mehr Sorgen wegen seiner neuen Aufgabe, als sein forsches Auftreten erraten läßt. Bis jetzt konnte er nämlich nicht die Spur eines Hinweises finden, und es bleibt ihm nichts anderes übrig, als um Verstärkung zu bitten. Also schaltet er das Amt für Staatssicherheit ein, sowie den Nachrichtendienst und die militärischen und zivilen Stellen für Spionageabwehr, Gegenspionage und Verteidigung. Er setzt alle Hebel in Bewegung! Jede Akte des gesamten Personals im
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