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Denn das Glueck ist eine Reise

Denn das Glueck ist eine Reise

Titel: Denn das Glueck ist eine Reise
Autoren: Caroline Vermalle
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Frosch im Weihwasserbecken; sie lebte sozusagen in der Kirche, was sie sehr von Georges unterschied. Was würde Charles zu der Planänderung sagen? Eigentlich brachte das ihr Programm kaum durcheinander. Und außerdem könnten sie die Insel Noirmoutier auch zu dritt besichtigen. Noirmoutier war bestimmt zu jeder Jahreszeit schön. Während Georges über all diese Dinge nachdachte, sank er allmählich in einen ruhigen und tiefen Schlaf.

Freitag, 26. September

    Notre-Dame-de-Monts – (Vendée)
    ....................
    Am nächsten Tag wachte Georges mit einem angenehmen Gefühl auf, auch wenn er im ersten Augenblick leichte Panik verspürte. Er hatte so gut geschlafen, dass er weder wusste, wo er war, noch wie spät es war. Ein paar Sekunden lang fühlte er sich wie neugeboren. Es war schon hell. 8.47 Uhr. Ein Wunder. Er blieb im Bett liegen, ohne sich zu bewegen.
    Inzwischen bereiteten Ginette und Charles, die beide Bademäntel übergezogen hatten, in der Küche das Frühstück zu. Ginette war sehr stolz auf ihre moderne, rote Küche mit allem Pipapo, die sie sich bei Ikea ausgesucht hatte. Ihr Sohn hatte sie vor zwei Jahren auf die Idee gebracht, eine neue einbauen zu lassen. Nur dieser Krimskrams, der fast die gesamte Arbeitsfläche bedeckte, stammte aus einer Zeit vor Ikea.
    Sie sprachen leise, denn sie sprachen über Georges. Ginette hatte gehört, dass es ihm gesundheitlich nicht besonders gut ging, und sie erkundigte sich deshalb etwas betrübt nach Georges’ Gesundheitszustand. Charles hingegen war nicht betrübt.
    »Ach was! Georges, der wird noch hundert Jahre alt. Der ist bärenstark. Der überlebt uns alle.«
    »Ja, aber hast du nicht gesagt, die Ärzte ...?«
    »Nein, nein, nein. Erstens sind es nicht die Ärzte, sondern sein Hausarzt, der seit zwanzig Jahren ständig was bei ihm findet und ihn mit Medikamenten vollstopft. Und weil Georges die Medikamente nicht nimmt, ist er überzeugt, es könnte übermorgen mit ihm vorbei sein. Aber ich sage dir, noch ist nicht aller Tage Abend!«
    »Das wünschen wir ihm doch alle.«
    »Klar, aber ich weiß nicht, ob er es sich auch wünscht, verstehst du? Was bei unserem Georges nicht so richtig funktioniert, das ist sein Kopf. Er ist, wie soll ich sagen ... deprimiert. Genau aus diesem Grunde habe ich mir gesagt, dass ihm ein Tapetenwechsel guttun würde.«
    »Sag bloß? Du meinst eine kleine Depression?«
    »Sogar eine große. Aber pass bloß auf. Wenn du mit dem über Depressionen sprichst, dreht er durch. Thérèse, die hat es einmal versucht und mit ihm über ihren Homöopathen in Bressuire gesprochen. Auf diesem Gebiet scheint die Homöopathie ganz gut zu helfen. Ich sag dir, der hat sie ordentlich zusammengefaltet.«
    »Pst, pst«, flüsterte Ginette, als sie Georges’ Schritte auf dem Flur hörte.
    »Ich sag dir, der wird noch hundert«, murmelte Charles, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    »Guten Morgen zusammen!«, rief Georges, der wie das blühende Leben aussah. »Puh, hab ich gut geschlafen. Ginette, dein Bett, einfach klasse.«
    »Da freue ich mich aber. Eine Tasse Kaffee, Georges?«
    »Aber gern.«
    Das Frühstück war die reinste Tuschelrunde. Ginette flüsterte ihrem Bruder zu: »Also für einen Depressiven ist der aber ziemlich gut drauf, dein Georges.« Georges tuschelte mit Charles über seine Idee, den Reiseplan zu ändern. Charles fragte Ginette hinter vorgehaltener Hand, ob sie sich wohl noch eine Nacht länger bei ihr einnisten dürften, und Georges wollte sofort von Charles wissen, was Ginette gesagt hatte.
    Als sie den Zwieback weggeräumt und die Frühstücksschalen gespült und abgetrocknet hatten, wussten sie alle, dass Charles und Georges noch bleiben würden, und das gefiel allen sehr gut. Die beiden Urlauber würden am nächsten Tag in aller Frühe aufbrechen und in Gâvres mit der Cousine zu Mittag essen. Von dort aus ging es dann weiter Richtung Brest, dem Startpunkt der ersten Etappe der Tour de France von 2008, wo sie im Hôtel du Centre Zimmer reserviert hatten. Zunächst aber würden sie Herzmuscheln sammeln, und zwar auf der Passage du Gois, der Straße im Meer, die Noirmoutier mit dem Festland verbindet − genau der Ort, wo Olano sich auf akrobatische Weise von der Tour 1999 verabschiedet hatte. Den Kopf voller Anekdoten, die es über die Tour de France zu erzählen gab, und voller Optimismus, begann für Georges ein Tag, den er lange in seinem vom Schrittmacher unterstützten Herzen bewahren würde.

Samstag, 27.
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