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Denkanstöße 2013

Denkanstöße 2013

Titel: Denkanstöße 2013
Autoren: Isabella Nelte
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»menschlich, allzu menschlich« ist. Gerade dies bedeutet jedoch positiv: diese Institutionen und Konstitutionen – auch und gerade das Papsttum – sind veränderbar, grundlegend reformierbar. Das Papsttum soll also nicht abgeschafft, sondern im Sinn eines biblisch orientierten Petrusdienstes erneuert werden. Abgeschafft werden aber soll das mittelalterliche römische Herrschaftssystem. Meine kritische »Destruktion« steht deshalb im Dienst der »Konstruktion«, der Reform und Erneuerung, alles in der Hoffnung, dass die katholische Kirche im dritten Jahrtausend gegen allen Anschein doch lebensfähig bleibe.
Therapeut, nicht Richter
    Manche Leser werden sich darüber wundern, dass hier vorwiegend eine medizinische Metaphorik verwendet wird. Das hat seinen Grund darin, dass sich einem bezüglich Gesundheit und Krankheit sofort Ähnlichkeiten zwischen der sozialen Körperschaft Kirche und dem menschlichen Organismus aufdrängen. Dazu kommt, dass ich in der Sprache der Medizin besser als etwa in der juristischen Sprache zum Ausdruck bringen kann, dass ich mich in diesem kritischen Bericht über den Stand der Kirche nicht als Richter verstehe, sondern – in einem umfassenden Sinn – als eine Art Therapeut.
    Meine Fundamentalkritik am römischen System wiegt schwer, und ich muss sie selbstverständlich Punkt für Punkt begründen. Nach bestem Wissen und Gewissen werde ich mich deshalb um eine ehrliche Diagnose wie um wirksame Therapievorschläge bemühen. Oft eine bittere Medizin, zweifellos, aber eine solche braucht die Kirche, wenn sie überhaupt wieder genesen soll. Dies ist eine spannende, aber, wie meistens bei Krankheiten, keine vergnügliche Geschichte. Nicht aus Rechthaberei oder gar Streitsucht also formuliere ich so deutlich, sondern um der Gewissenspflicht zu genügen, meiner Kirchengemeinschaft, der ich ein Leben lang zu dienen versuchte, diesen – vielleicht letzten? – Dienst zu leisten.
    Von Rom aus wird man erfahrungsgemäß alles tun, um einen derart unbequemen Text, wenn schon nicht zu verurteilen, so doch möglichst zu verschweigen. Ich hoffe deshalb auf die Unterstützung aus der Kirchengemeinschaft und der breiteren Öffentlichkeit, von Theologen und hoffentlich auch dialogbereiten Bischöfen, um die ideologisch fixierte und juristisch und finanziell zumeist abgesicherte römische Kirchenhierarchie aufzuwecken. Gibt es Hoffnung, zumindest für die Kirche in Deutschland?
Agenda für ein »Zukunftsgespräch«
    Vom obersten katholischen Laiengremium, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), aufgefordert, hat die Deutsche Bischofskonferenz im Herbst 2010 in einem Brief an alle Katholiken nach der schockierenden Aufdeckung jahrzehntelanger Vertuschung sexualisierter Gewalt ein zweijähriges kirchliches »Zukunftsgespräch« angekündigt. Diese späte Dialoginitiative  – etwa fünfzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanum – ist zu begrüßen; ist sie doch Ausdruck dafür, dass die Bischöfe sich schließlich doch beunruhigt zeigen über die Frustration, Opposition und Abwanderung im katholischen Kirchenvolk infolge der Missbrauchskrise und des enormen Reformstaus. Der Dialog soll die Bischofskonferenz, die Bistümer, die Gemeinden und auch Fernstehende einbeziehen.
    Aber: um die Jahreswende 2010/2011 war festzustellen, dass die Dialoginitiative schon wieder ins Stocken geraten war. Denn die deutschen Bischöfe sind uneins. Manche erkennen nicht einmal das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als Dialog- und Kooperationspartner an – ganz zu schweigen von der mit weit über einer Million Unterschriften beglaubigten KirchenVolksBewegung »Wir sind Kirche«, einer unabhängigen »Stimme des Kirchenvolkes«. Nicht einmal auf ihren für Ende November 2010 angekündigten Brief an die Gemeinden konnten sich die Bischöfe einigen. Die Gläubigen wurden auf das Frühjahr 2011 vertröstet.
    Aber diese Gläubigen erinnern sich sehr wohl, dass schon ähnliche Gesprächsinitiativen – auch im Zusammenhang mit Befragungen vor Bischofsernennungen – praktiziert wurden, die aber für die Gläubigen nichts als Enttäuschungen brachten, wie ja auch schon die Ergebnisse der »Würzburger Synode« (1971–1975) und vieler Diözesansynoden von der Hierarchie »schubladisiert« und von
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