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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2
Autoren: Rachel Ward
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Radio läuft – irgendein Bericht, dass die Regierung zugibt, die Kyoto-Ziele seien bei Weitem nicht erreicht worden – und der Nachbarhund kläfft unentwegt wie immer, doch die Stille zwischen uns knistert.
    »Ich weiß, dass du besonders bist, Adam«, sagt sie schließlich und mir läuft ein Schauder über den Rücken. »Ich hab es sofort gesehen, als du geboren warst.«
    »Was denn?«
    »Ich sah – ich sehe – einen wunderschönen Jungen. Sie stecken beide in dir, deine Mum und dein Dad. O Gott, du hast so viel von Terry in dir. Glaub mir, manchmal habe ich das Gefühl, er ist wieder da … als ob er nie …« Sie verstummt. Ihre Augen haben einen zusätzlichen Glanz und die Ränder sind auf einmal ganz rosa.
    »Was noch, Oma?« Ich weiß, da ist noch was. Sie schluckt und schaut mir tief in die Augen.
    »Deine Aura. Ich habe so was noch nie gesehen. Rot und golden. Mein Gott, du bist etwas Besonderes. Du bist ein Anführer. Einer, der überlebt. In dir steckt durch und durch Mut. Du bist stark, du hast spirituelle Kräfte. Ich schwöre, es gibt einen Grund, weshalb du hier bist.«
    Ich gehe ein Risiko ein. Ich muss es einfach wissen.
    »Was ist mit meiner Zahl?«
    Sie runzelt die Stirn.
    »Ich kann keine Zahlen sehen, mein Junge. Ich bin nicht wie du und deine Mum.«
    Also weiß sie es.
    »Wieso weißt du davon?«
    »Deine Mum hat es mir erzählt. Das mit ihr wusste ich schon seit Jahren, und als sie dann das mit dir rausfand, rief sie mich an.«
    Plötzlich muss ich es ihr einfach sagen. Sagen, was sich den ganzen Sommer über in mir aufgestaut hat.
    »Oma – die Hälfte der Leute in London wird nächstes Jahr sterben. Ich erfinde das nicht. Ich hab ihre Zahlen gesehen.«
    Sie nickt.
    »Ich weiß.«
    »Du weißt es?«
    »Ja, Jem hat mir von 2028 erzählt. Mich gewarnt.«
    Meine Hände wandern an meine Schläfen. Nan hat es gewusst! Mum hat es gewusst! Ich zittere, aber nicht vor Angst, ich bin wütend. Wie konnten sie wagen, das vor mir geheim zu halten? Wieso haben sie mich damit alleingelassen?
    »Wieso hast du nie was gesagt? Wieso sie nicht?«
    Wut jagt durch meinen Körper, sie pulsiert in den Armen und Beinen. Ich trete gegen die Leiste unter den Küchenschränken.
    »Lass das!«
    Ich möchte irgendwas kaputt schlagen. Noch einmal trete ich zu und diesmal schlägt die Leiste dumpf auf den Boden.
    »Adam! Hör auf!«
    Oma ist jetzt aufgestanden, kommt auf mich zu. Sie packt meine Arme. Ich versuche, sie abzuschütteln, aber sie ist stark, viel stärker, als man vermutet, wenn man sie sieht. Wir ringen ein paar Sekunden. Dann lässt sie mich blitzartig los und schlägt mir ins Gesicht.
    »Nicht hier!«, schreit sie. »Nicht in meinem Haus. Das verbitte ich mir!«
    Ich komme wieder zu mir. Ich sehe alles, als ob es einem andern widerfährt – einem Teenager, der sich mit einer alten Frau in ihrer Küche rauft. Und ich spüre, wie Scham in mir hochsteigt.
    »Es tut mir leid, Oma«, sage ich und reib meine Wange, da, wo sie mich erwischt hat. Ich weiß nicht, wo ich hinschauen, was ich mit mir anfangen soll.
    »Das hoffe ich«, antwortet sie und stellt den Kessel an. »Wenn du dich beruhigt hast und bereit bist zuzuhören , können wir drüber reden.«
    »Okay«, sage ich.
    »Du machst den Tee. Ich brauche erst mal eine Zigarette.«
    Sie setzt sich hin, greift nach der Schachtel und ihre Hand zittert ein bisschen, als sie die Zigarette herauszieht und anzündet.
    Als der Tee fertig ist, setze ich mich ihr gegenüber.
    »Erzähl, Oma«, sage ich. »Erzähl mir alles, was du weißt. Über mich und Mum und Dad. Ich hab ein Recht …«
    Sie betrachtet die Tischplatte oder tut zumindest so. Sie wischt ein bisschen Asche zu Boden, dann sieht sie zu mir hoch, bläst eine lange Rauchfahne aus dem Mundwinkel und sagt: »Ja, du hast ein Recht darauf und ich denke, die Zeit ist reif.«
    Und dann fängt sie an zu erzählen.

SARAH
    Er versucht die Tür zu öffnen.
    Ich halte den Atem an.
    Im Dunkeln höre ich, wie sich die Klinke bewegt, das Schaben von Metall auf Holz, als die Tür gegen den Stuhl drückt, den ich dagegengeklemmt habe. Es gibt ein bollerndes Geräusch, als Er die Tür hin- und herbewegt, zuerst behutsam, dann mit mehr Kraft. Ich stelle mir Sein Gesicht vor – wie sich die Verwirrung in Wut verwandelt – und ich weiche in meinem Bett zurück, sitze aufrecht da, die Knie bis an mein Kinn gezogen, die Hände verschränkt.
    Für ein paar Sekunden wird das Zimmer still, dann ist Er wieder
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