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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2
Autoren: Rachel Ward
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Klappe.«
    Die Menge teilt sich, als wir nach vorn geschleppt werden. Nacheinander müssen wir durch einen Metalldetektor und werden auf der andern Seite durchsucht. Dann den Flur entlang zu einem Büro, wo der stellvertretende Direktor wartet.
    »Nach der heutigen Vorstellung sollten wir euch eigentlich gar nicht mehr in die Schule lassen.« Er ist so ein Schlips-und-Kragen-Typ, einer, der nur von oben herab mit dir reden kann. Jetzt hält er uns eine Predigt, aber ich hör nicht zu. Ich betrachte die Schuppen auf seinen Schultern und den zerschlissenen Kragen seines Jacketts. »Es ist eine Schande, sich gleich am ersten Tag zu prügeln, eine Schande. Was habt ihr beiden zu eurer Verteidigung zu sagen?«
    Ich vermute, Rattenzahn, der offenbar Junior genannt wird, war schon öfter in solchen Büros. Er weiß, was zu tun ist. Wir stehen schweigend da und nach ungefähr zehn Sekunden murmeln wir: »Nichts, Sir. Entschuldigung, Sir.«
    »Was immer zwischen euch war, ich will, dass es hier im Zimmer bleibt. Gebt euch die Hand, Jungs.«
    Wir sehen uns an und wieder überdeckt seine Zahl alles andere und ich bin bei ihm, als das Messer zusticht. Ich spüre seine Überraschung, seine Ungläubigkeit, den sengenden Schmerz.
    »Jetzt nimm schon meine Hand, du Idiot«, zischt Junior.
    Ich kehre wieder in mich zurück, zurück in den Raum, zu dem Lehrer und ihm. Er streckt mir die Hand entgegen. Ich nehm sie und wir schütteln sie gegenseitig. Er drückt meine Hand so fest, dass die Knöchel gegeneinanderknirschen. Ich zeige jedoch keine Reaktion, sondern halte dagegen.
    »Los, bringt die zwei wieder zur Registrierung. Und euch beide will ich hier nicht noch einmal sehen. Habt ihr mich verstanden?«
    »Ja, Sir.«
    Wir werden über den Flur gebracht und stellen uns ans Ende der Schlange. Ich stehe vor Junior. Er beugt sich vor und murmelt mir ins Ohr: »Das war der größte Fehler deines Lebens, Arschwichser.«
    Ich rücke ein Stück nach vorn, um Abstand zwischen uns zu bringen, und stoße versehentlich gegen ein Mädchen.
    »Entschuldigung«, sage ich. Sie dreht sich halb um, blond gesträhnte Haare, fast fünfzehn Zentimeter kleiner als ich. Sie will mir gerade aus den Augenwinkeln böse Blicke entgegenschleudern, doch plötzlich erstarrt sie förmlich und ihre Augen weiten sich, bis sie so groß werden wie Essteller.
    »O mein Gott«, flüstert sie.
    Ich weiß, die Leute finden es gruselig, wie ich sie anschaue und dass ich manchmal nicht aufhören kann zu gucken. Ich versuche zwar nicht zu glotzen, das schon, aber manchmal bin ich wie eingerastet, erstarrt durch ihre Zahl, durch das Gefühl, das sie in mir auslösen, so wie vorhin bei Junior. Aber ich habe das Mädchen nicht angestarrt. Ich habe mich ja gerade erst in die Schlange gestellt.
    »Was?«, frage ich. »Was ist los?«
    Sie hat sich jetzt richtig umgedreht und nimmt den Blick nicht von mir – so was habe ich noch nie gesehen. Ihre Augen sind blau, knallblau, aber darunter hat sie dunkle Ringe und ihre Wangen sind blass und wirken müde.
    »Du«, sagt sie schwach. »Du bist es.« Sie wird noch weißer im Gesicht, stolpert von mir weg, raus aus der Schlange und fixiert mich weiter mit ihrem Blick, während sie langsam rückwärtsgeht. Auf einmal ist es, als ob der Rest der Welt verschwunden wäre.
    Ihre Zahl, ihr Tod, haut mich förmlich um.
    Noch mehr als fünfzig Jahre, und ich sehe, wie sie ganz leicht aus dem Leben tritt, von Liebe und Licht durchflutet. Ich spüre es am ganzen Körper und in mir drinnen, in meinem Kopf. Und sie ist nicht allein. Ich bin auch da, mit ihr – sie ist ich und ich bin sie. Wie das?
    Plötzlich wendet sie sich ab und läuft den Flur entlang. Einer der Männer vom Sicherheitsdienst bemerkt es und ruft ihr hinterher, doch sie läuft weiter.
    »Boah! Die haut ab!«, sagt Junior hinter mir. »Ohne Registrierung kommt sie aber nicht weit.« Da hat er Recht. Keine der Türen wird sich öffnen. Ich sehe, wie sie verzweifelt an allen Klinken rüttelt. Die Kameras in der Decke zeichnen ihre Bewegungen auf. Sie rastet förmlich aus, hämmert mit der Faust gegen das Glas, tritt mit dem Fuß aus. Zwei vom Sicherheitsdienst packen sie unter den Armen, jeder auf einer Seite, und schleppen sie wieder zurück in unsere Richtung und dann in einen Seitenraum, gleich neben der Anmeldung. Sie wehrt sich und schreit, ihr Gesicht ist verzerrt vor Wut, doch als sie mich wieder ansieht, liegt noch etwas anderes in ihren Augen, genauso deutlich wie ihre
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