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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2
Autoren: Rachel Ward
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wische mit dem Daumen über das Papier, doch das macht es nur schlimmer. Ich finde ein altes Taschentuch in der Hose und tupfe die Stelle trocken, aber die ganze Zeit rollen mir Tränen übers Gesicht. Schließlich lege ich den Brief ans Bettende, wo er keinen Schaden nehmen kann, und lass sie fließen.
    Ich habe lange nicht mehr geweint, seit kurz vor ihrem Tod. Jetzt kann ich gar nicht mehr aufhören. Es ist, als ob ein Damm gebrochen wäre – etwas Großes mich fortschwemmt. Mein ganzer Körper weint, außer Kontrolle; schwere Schluchzer dringen aus mir heraus; Rotz und Tränen; Laute, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie in mir habe. Dann rolle ich mich zu einer Kugel zusammen und wiege mich vor und zurück, vor und zurück, ich weiß nicht, wie lange, bis ich allmählich aufhöre. Und nichts mehr übrig ist. Keine einzige Träne.
    Ich schaue mich um, als sähe ich das Zimmer zum ersten Mal, und spüre wieder Wut, die in den Fingerspitzen kribbelt und durch meinen Körper pulsiert.
    Geh nicht nach London. Lass nicht zu, dass Oma dich dorthin bringt.
    Ich wusste immer, dass London ein schlechter Ort ist. Ich wusste, das wir nicht hätten herkommen dürfen.
    Türschlagend stürme ich aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Oma ist immer noch in der Küche. Den Becher Tee vor sich und mit brennender Zigarette.
    »Sie hat nicht gewollt, dass wir nach London gehen! Sie wollte, dass wir in Weston bleiben! Hast du das gewusst? Sag schon. Hast du?«
    Ich stehe nach vorn gebeugt auf der anderen Seite des Tisches, die Platte mit beiden Händen umkrallt, dass die Knöchel weiß werden.
    Oma hebt ihre Hand vor die Stirn und massiert sie. Eine Sekunde lang schließt sie die Augen, doch als sie sie wieder öffnet, liegt etwas Trotziges in ihrem Blick.
    »Ja, sie hat so etwas erwähnt.«
    »Sie hat so etwas erwähnt und du hast uns trotzdem hergebracht?«
    »Ja, das hab ich, aber …« Sie glaubt, sie kann mit mir diskutieren, sich rechtfertigen. Sie nimmt mich nicht ernst. Was immer sie sagt, es macht nichts besser. Ich habe sie der Lüge überführt, diese egoistische Kuh.
    »Obwohl ich gesagt hab, ich will nicht? Obwohl Mum gesagt hat, wir sollen nicht gehen?«
    »Adam …«
    »Sie hat dir vertraut!«
    »Ich weiß, aber …« Sie streckt die Hand nach dem Aschenbecher aus. Ihre Finger zittern, als sie die Zigarette ausdrückt. Die Schale quillt über – kalt und eklig wie sie. Auch ich strecke die Hand aus, schnappe das scheußliche Ding und schleudere es gegen die Wand. Es zerschlägt, als es am Boden landet. Glas und Asche fliegen umher.
    »Adam!«, schreit sie. »Es reicht!«
    Aber es reicht nicht. Es reicht kein bisschen.
    Ich klammere die Hände noch fester um den Tisch, hebe ihn an und werfe ihn krachend um, dass er vor dem Spülbecken landet. Zerschlagenes Porzellan und Tee mischen sich mit Asche und Glas.
    »Herrgott! Hör auf, Adam!«
    »Halt die Klappe. Halt endlich deine verdammte Klappe!«
    »Wag es nicht …«
    Der Aschenbecher reicht nicht. Der Tisch reicht nicht. Sie können sowieso nichts dafür. Aber Oma.
    Ich muss hier raus. Denn ich weiß, was ich als Nächstes tun würde, und das ginge zu weit. Es wäre falsch. Ich möchte es so sehr, aber wenn ich erst mal loslege … wenn ich loslege, kann ich vielleicht nicht mehr aufhören.
    »Ich hasse dich! Ich hasse dich!«
    Ich bin aus der Küche raus, durchs Wohnzimmer und zur Haustür hinaus, bevor ich es mir anders überlegen kann. Die kalte Luft schlägt mir entgegen und ich bleibe einen Moment stehen, um sie einzusaugen. Aber stillstehen ist nicht gut. In mir tobt zu viel Energie, ich bin zu überdreht, deshalb gehe ich und beginne schließlich zu rennen. Und während ich renne, fängt es an zu regnen, eisige Tropfen stechen mir ins Gesicht.
    Ich renne nicht vor ihr fort. Ich renne fort vor dem, was ich ihr vielleicht angetan hätte. Es ist besser so. Es ist besser für uns beide, wenn ich weiter renne und nie mehr zurückkomme.

SARAH
    Ich werde nicht viel mitnehmen können. Er bringt mich immer zur Schule, eine Extratasche würde Ihm sofort auffallen. Also kann nur das mit, was ich in die normale Schultasche kriege – und Geld. Wenn ich genügend Geld habe, kann ich alles kaufen, was ich noch brauche.
    Sie werden mein Konto überprüfen, wenn ich weg bin. Die Polizei oder sonst wen fragen, was ich ausgegeben habe, wo ich gewesen bin. Also ist Bargeld die Lösung. So viel Bargeld wie möglich.
    Ich habe jetzt schon seit Wochen Zehner aus
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