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Demokratie! - wofür wir kämpfen

Demokratie! - wofür wir kämpfen

Titel: Demokratie! - wofür wir kämpfen
Autoren: Campus
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nicht mehr von anderen vertreten lassen, entdecken die Macht der demokratischen Beteiligung. Diese vier Eigenschaften, die aus der Macht der Rebellion und des Widerstands entstehen, definieren die Gemeinen .
    In der mittelalterlichen Gesellschaft waren die Gemeinen einer der drei Stände: der schützende Stand (der Adel), der betende Stand (der Klerus) und der arbeitende Stand (die Gemeinen). 7 Die Gemeinen galten als Menschen ohne Rang und Status, als Jedermann und Jedefrau. Wir wollen diesen Begriff nicht nur wiederbeleben, weil er arbeitende Menschen beschreibt, sondern auch, weil er auf das Gemeinsame verweist: Gemeine arbeiten nicht nur, sondern sie arbeiten am Gemeineigentum. Wir schlagen vor, den Begriff des Gemeinen genauso zu verwenden wie die Berufsbezeichnungen Bäcker, Weber oder Schmied: Bäcker backen, Weber weben, Schmiede schmieden und Gemeine »gemeinen«, das heißt, sie gestalten das Gemeinsame.
    Gemeine sind gewöhnliche Menschen, die eine außergewöhnliche Leistung vollbringen: Sie machen das Privateigentum für die Allgemeinheit zugänglich, sie führen Staatseigentum in Gemeineigentum über und schaffen Mechanismen, dieses in demokratischer Beteiligung zu verwalten, zu entwickeln und zu erhalten. Die Gemeinen öffnen also nicht nur den Zugang zu Feldern und Flüssen, sondern sie ermöglichen auch den freien Austausch von Ideen, Bildern, Codes, Musik und Information. Einige der Voraussetzungen dazu haben wir bereits gesehen: die Fähigkeit zum Beispiel, soziale Bande zu knüpfen, über Unterschiede hinweg zu kommunizieren, furchtlos wahre Sicherheit zu schaffen oder demokratisch zu handeln. Gemeine sind Teilhabende, sie sind unabdingbar für die Begründung einer demokratischen Gesellschaft, die auf dem offenen Zugang zu Gemeingütern beruht.
    Die Handlung des »Gemeinens« oder »Gemeinsam-Machens« zielt jedoch nicht nur auf den freien Zugang zu und die Selbstverwaltung von Gemeineigentum, sondern auch auf die Schaffung neuer politischer Organisationsformen. Die Gemeinen müssen Möglichkeiten finden, Bündnisse zwischen verschiedenen sozialen Bewegungen zu schmieden, zum Beispiel zwischen Studierenden, Arbeitenden, Arbeitslosen, Armen, Antirassisten und so weiter. Einige Menschen denken dabei an die Bildung von Koalitionen, doch dieser Begriff trifft es nicht. Eine Koalition impliziert, dass die unterschiedlichen Gruppen ihre Identitäten und Organisationsstrukturen beibehalten und lediglich ein taktisches oder strategisches Bündnis eingehen. Das Bündnis der Gemeinen ist etwas anderes. »Gemeinen« bedeutet natürlich nicht, die vorhandenen Unterschiede einfach zu leugnen und zu behaupten, wir seien alle gleich. Im Gegenteil, das Gemeinsame hat nichts mit Gleichmacherei zu tun. Die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen interagieren vielmehr als Singularitäten und werden durch den Austausch bereichert, inspiriert und verändert. Sie kommunizieren auf den niederenFrequenzen, die Menschen außerhalb des Kampfs oft weder hören noch verstehen können.
    Dies ist eine Lektion, die wir aus den jüngsten Auseinandersetzungen lernen können. Die Demonstranten in Wisconsin redeten sich nicht ein, dass sie mit denen auf dem Tahrir-Platz identisch seien oder deren gesellschaftliche Situation teilten, und die Besetzer des Rothschild Boulevard von Tel Aviv sahen ihren Protest nicht als Kopie des Zeltlagers auf der Puerta del Sol. Sie waren fest in ihren spezifischen regionalen Auseinandersetzungen verwurzelt, doch sie borgten sich Praktiken voneinander und veränderten sie dabei; sie übernahmen Parolen der anderen und verliehen ihnen neue Bedeutung und vor allem erkannten sie sich als Teil eines gemeinsamen Projekts. In dieser Art des Austauschs und der Transformation von Singularitäten in der Auseinandersetzung erfüllt sich die politische Aufgabe der Gemeinen.
    Viele der traditionellen Linken begegnen den neuen Protestbewegungen mit Misstrauen und Ablehnung. »Die Straßen sind voll, aber die Kirchen sind leer«, klagen sie und meinen damit, den Bewegungen fehle die ideologische Grundlage und die zentrale Führung. Solange die Proteste auf der Straße nicht von einer Partei und einer Ideologie geführt würden, so lange also die Kirchen nicht gefüllt seien, so die Logik, so lange könne es keine Revolution geben.
    Doch das Gegenteil ist der Fall! Wir müssen die Kirchen der Linken räumen, ihre Türen verrammeln und sie niederbrennen! Die neuen sozialen Bewegungen sind nicht etwa so stark,
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