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Demokratie! - wofür wir kämpfen

Demokratie! - wofür wir kämpfen

Titel: Demokratie! - wofür wir kämpfen
Autoren: Campus
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Unabhängigkeit sind deutlich größer und damit effektiver als ein eigenes Staatsorgan.
    Eine weitere verfassungsmäßige Aufgabe der Judikative ist die Auslegung der Verfassung. Auch im Zusammenhang einer Neukonstituierung bleibt dies eine zentrale Aufgabe. Die unveräußerlichen Rechte, die wir oben als Grundsätze formuliert haben – zum Beispiel Freiheit, Glück, freier Zugang zu Gemeingütern, gleiche Verteilung des Wohlstands, Nachhaltigkeit und so weiter – müssen interpretiert werden. Die Frage ist jedoch berechtigt, ob wir eine Handvoll Experten in schwarzen Roben benötigen, die diese Aufgabe für uns übernehmen. Wenn die Verfassungsgebung demokratisch und partizipativ sein soll, muss auch die Interpretation der Verfassung auf die Gesellschaft selbst übergehen. Die Grundsätze und Wahrheiten, auf denen der Verfassungsprozess beruht, wurden schließlich auch nicht von oben vorgegeben, sondern durch die Dynamiken der Gesellschaft selbst hervorgebracht. Auch hier ist ein umfassendes Bildungsprojekt erforderlich, um die Intelligenz zu bilden, die politischen Leidenschaften zu entwickeln und das Wissen bereitzustellen, das die Multitude benötigt, um an der Interpretation und Entscheidungsfindung teilzunehmen. Es gibt jedoch keinen Grund, warum dies unsere Fähigkeiten übersteigen sollte.
    Wir maßen uns nicht an, eine neue Verfassung zu formulieren, und sind uns bewusst, dass unsere Ausführungen zu einer künftigen Legislative, Exekutive und Judikative nur einige allgemeine Prinzipien skizzieren können. Wir haben lediglich versucht, einige der möglichen Eckpunkte einer künftigen Agenda festzuhalten. Die Aussagen der sozialen Bewegungen, die im Jahr 2011 ihren Anfang nahmen, machen jedoch klar, dass die Debatte um die Verfasstheit einer neuen Gesellschaft reif ist und ganz oben auf der Tagesordnung steht.

Was folgt: Die Ankunft des Gemeinen
    Wir können die Stadt auf dem Berg schon sehen, doch sie scheint noch weit entfernt. Wir können uns vorstellen, eine gerechte, egalitäre und nachhaltige Gesellschaft zu begründen, in der wir alle Zugang zu den Gemeingütern haben, doch die Bedingungen dafür sind noch nicht gegeben. Wir können keine demokratische Gesellschaft aufbauen, solange eine kleine Minderheit allen Reichtum und alle Waffen besitzt. Wir können den Planeten nicht heilen, solange diejenigen, die ihn zerstören, am Hebel sitzen. Die Reichen werden kaum freiwillig auf ihren Reichtum verzichten, und die Tyrannen werden kaum die Waffen niederlegen und ihre Macht abgeben wollen. Wir werden sie ihnen irgendwann nehmen müssen – aber eins nach dem anderen. So einfach ist das nicht.
    Die sozialen Widerstandsbewegungen, darunter diejenigen der letzten Jahre, haben zwar neue Möglichkeiten geschaffen und neue Erfahrungen gesammelt. Aber so begeisternd sie sein mögen, haben diese Experimente allein nicht die Kraft, die herrschenden Mächte zu stürzen. Selbst große Erfolge erweisen sich oft als schmerzlich begrenzt. Wir verjagen einen Tyrannen und bekommen was? Eine Militärjunta? Einen Gottesstaat? Wir besetzen Wall Street und was passiert? Der Staat gibt noch mehr Geld aus, um immer neue Banken zu retten? Die Kräfte, die sich unsentgegenstellen, scheinen schier unüberwindlich. Das Monster hat so viele Köpfe!
    Aber selbst in Momenten der Verzweiflung sollten wir uns daran erinnern, dass in der Geschichte immer wieder unerwartete und unvorhersehbare Ereignisse eintreten und die Karten neu mischen. Man muss kein Apokalyptiker sein, um zu glauben, dass es auch in Zukunft zu solchen Ereignissen kommen wird. Es ist nicht einmal eine Frage der Zahlen: Einmal können Millionen durch die Straßen ziehen, ohne dass sich auch nur das Geringste ändert, und ein andermal können einige wenige eine ganze Herrschaftsordnung zum Kippen bringen. Manchmal tritt das Ereignis in einer wirtschaftlichen und politischen Krise ein, wenn die Menschen leiden, aber manchmal auch in Zeiten des Wohlstands, wenn die Hoffnungen und Erwartungen wachsen. Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass der gesamte Finanzmarkt kollabiert, vielleicht sogar in naher Zukunft. Oder dass sich die Schuldner ein Herz fassen und die Rückzahlung ihrer Schulden verweigern. Oder dass Menschen scharenweise den Mächtigen die Gefolgschaft verweigern. Was tun wir dann? Welche Gesellschaft werden wir errichten?
    Wir können nicht wissen, wann ein solches Ereignis eintritt. Aber das bedeutet nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen
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