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Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde
Autoren: Alistair MacLean
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auswies.
    MacAlpine, der noch einen Feuerlöscher in einer Hand hielt, drehte sich um, um sie am Eingang zu den Boxen zu empfangen. MacAlpine, Besitzer und Manager des Coronado-Rennteams, gekleidet in einen jetzt fleckigen braunen Gabardineanzug, war Mitte fünfzig, hatte einen mächtigen Kopf, der zu seinem bulligen Körper paßte, und ein zerfurchtes Gesicht unter einer eindrucksvollen Mähne schwarzer, von vielen Silberfäden durchzogener Haare. Hinter ihm kümmerten sich Jacobson, der Chefmechaniker, und seine beiden rothaarigen Assistenten, die Rafferty-Zwillinge, die aus einem unbekannten Grund Tweedledum und Tweedledee genannt wurden, um den rauchenden Coronado, während hinter dem Wagen zwei weißgekleidete Sanitäter eine weit wichtigere Aufgabe erfüllten: Auf dem Boden lag, bewußtlos, aber immer noch den Block und den Bleistift umklammernd, mit dem sie die Rundenzeiten notiert hatte, Mary MacAlpine, die schwarzhaarige, zweiundzwanzigjährige Tochter des Besitzers. Die Sanitäter waren damit beschäftigt, das eine Hosenbein der weinroten Hose, die vor kurzem noch weiß gewesen war, bis zum Knie aufzuschneiden. MacAlpine nahm Harlow am Arm, wobei er ihm absichtlich den Blick auf seine Tochter versperrte, und führte ihn zu dem kleinen Verschlag hinter den Boxen. MacAlpine war, wie Millionäre das oft sind, ein außerordentlich fähiger und harter Mann, aber hinter dieser Härte verbarg sich eine Warmherzigkeit, deren niemand ihn zu verdächtigen gewagt hätte.
    An der hinteren Wand des Verschlages stand eine kleine Holzkiste, die in Wirklichkeit eine tragbare Bar war. Den meisten Platz nahm ein Kühlschrank ein, in dem ein paar Flaschen Bier und eine Menge alkoholfreier Getränke lagen, hauptsächlich für die Mechaniker; denn die Arbeit in der brennenden Sonne machte durstig. Außerdem lagen noch zwei Flaschen Champagner auf Eis, denn die Annahme, daß ein Mann, der sage und schreibe fünf Grand-Prix-Rennen hintereinander gewonnen hatte, diese Serie um einen sechsten Sieg erweitern würde, war nicht gerade abwegig gewesen. Harlow hob den Deckel der Kiste hoch, beachtete die Eisbox jedoch nicht, sondern nahm eine Flasche Brandy und goß den Schwenker halb voll, wobei der Flaschenhals heftig gegen den Rand des Glases klirrte. Es landete mehr Brandy auf dem Boden als im Glas. Er brauchte beide Hände, um das Glas an die Lippen zu heben, und dann klirrte es noch heftiger gegen seine Zähne als vorher gegen die Flasche. Es gelang ihm, ein paar kleine Schlucke zu trinken, aber der größte Teil des Glasinhalts lief ihm an den Mundwinkeln über sein blutverschmiertes Kinn herunter und färbte seinen weißen Overall wie die Hosen des verwundeten Mädchens draußen. Harlow starrte versonnen in das leere Glas, sank auf eine Bank und griff wieder nach der Flasche.
    MacAlpine warf Dunnet einen Blick zu. Sein Gesicht war ausdruckslos. Harlow hatte im Lauf seiner Karriere drei größere Unfälle gehabt, und beim letzten hatte er vor zwei Jahren Verletzungen erlitten, die beinahe zu seinem Tod geführt hätten. Damals hatte er trotz unerträglicher Schmerzen gelächelt, als er auf der Bahre in das Ambulanzflugzeug gehievt worden war, das ihn nach London bringen sollte. Und der nach oben gerichtete Daumen seiner linken Hand – sein rechter Unterarm war an zwei Stellen gebrochen gewesen –, mit dem er sein ›Okay‹ signalisiert hatte, war vollkommen ruhig gewesen. Aber viel bestürzender war der Griff nach dem Brandy, denn bisher hatte er, abgesehen von einem Schluck Champagner bei einer Siegesfeier, noch nie in seinem Leben Alkohol getrunken.
    Es erwischt jeden, hatte MacAlpine immer gesagt. Früher oder später erwischt es jeden. Ganz gleichgültig wie kaltblütig oder mutig oder fabelhaft sie waren, es erwischte sie alle irgendwann. Und je stärker ihre Selbstbeherrschung war, um so zerbrechlicher war sie. MacAlpine war Übertreibungen nie abgeneigt, und es gab eine Handvoll – aber wirklich nur eine Handvoll – außergewöhnlicher ehemaliger Grand-Prix-Fahrer, die sich auf der Höhe ihrer Karriere zurückgezogen hatten. Jedenfalls waren es genug, um MacAlpines Behauptung zu widerlegen. Aber es war auch allseits bekannt, daß es Spitzenfahrer gab, die entweder tödlich verunglückten oder körperlich und nervlich derartige Schäden erlitten daß sie nur noch blasse Schatten ihrer selbst waren und daß es unter den zur Zeit aktiven vierundzwanzig Grand-Prix-Fahrern vier oder fünf gab, die nie mehr ein Rennen
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