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Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde
Autoren: Alistair MacLean
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machte Dunnet sich daran, mit Hilfe eines Eimers voll Wasser und eines Schwammes Harlows Gesicht zu reinigen. Harlow schien es völlig gleichgültig zu sein, ob sein Gesicht gewaschen wurde oder nicht. Was immer er auch dachte – und unter den gegebenen Umständen hätte sogar ein Idiot das erraten –, seine ganze Aufmerksamkeit schien auf den Inhalt der Brandyflasche konzentriert zu sein. Er bot das Bild eines Mannes, der an nichts anderem interessiert war, als möglichst schnell eine Methode zu finden, alles zu vergessen.
    Es war vielleicht ganz gut, daß weder Harlow noch MacAlpine die Gestalt bemerkten, die vor der Tür stand und deren Gesichtsausdruck darauf hindeutete, daß sie es genossen hätte, Harlow in einen Zustand endgültigen Vergessens zu versetzen. Rory, MacAlpines Sohn, ein dunkellockiger Junge mit normalerweise liebenswürdigem, ja sogar fröhlichem Wesen, hatte Mord im Blick – eine unglaubliche Tatsache, wenn man wußte, daß er Harlow jahrelang und bis vor ein paar Minuten geradezu angebetet hatte. Rory blickte zu der Ambulanz hinüber, neben der seine bewußtlose und blutüberströmte Schwester lag. Dann wandte er sich wieder Harlow zu, und jetzt spiegelten seine Augen allen Haß wider, dessen ein Sechzehnjähriger überhaupt fähig sein kann.
    Bei der offiziellen Untersuchung der Unfallursache, die unmittelbar danach durchgeführt wurde, wurde – wie vorauszusehen war – eine einzelne Person als alleinverantwortlich bezeichnet. Das war bei derartigen Untersuchungen nichts Außergewöhnliches – man denke nur an die Katastrophe von Le Mans, bei der dreiundsiebzig Zuschauer getötet wurden und kein Verantwortlicher gefunden wurde, obwohl es allgemein bekannt war, daß nur ein Mann und nur er – der nun schon so viele Jahre tot ist – die Schuld an dem Massensterben trug.
    Auch in dieser Untersuchung wurde kein Schuldiger genannt, obwohl die zwei- oder dreitausend Zuschauer auf den Tribünen die Schuld ohne zu zögern Johnny Harlow gegeben hätten. Aber noch schlimmer war der einwandfreie Beweis, den die Fernsehaufnahme des Unfalls lieferte, die in dem kleinen Raum abgespielt wurde, in dem die Untersuchung stattfand. Die Leinwand war klein und fleckig, aber die Bilder sah man trotzdem deutlich, und die Geräusche waren genauso klar wie draußen auf der Strecke. Der Film – er dauerte kaum zwanzig Sekunden, wurde aber fünfmal wiederholt – zeigte in Großaufnahme drei Grand-Prix-Wagen, die sich den Boxen näherten. Harlow machte sich an den führenden Wagen heran, einen alten, von einem Privatmann ins Rennen gebrachten Ferrari, der nur deshalb an der Spitze lag, weil er bereits einmal überrundet war. Noch schneller als Harlow und ganz drüben auf der anderen Seite der Piste fuhr ein vom Werk gestellter feuerwehrroter Ferrari, an dessen Steuer Isaac Jethou saß. In der Geraden gaben Jethous zwölf Zylinder mehr her als Harlows acht, und es war offensichtlich, daß er überholen wollte. Es schien, als sei auch Harlow sich darüber klar; denn seine Bremslichter leuchteten auf, was darauf hindeutete, daß er abbremsen und hinter die langsameren Wagen einbiegen wollte, um Jethou überholen zu lassen.
    Plötzlich verloschen jedoch unfaßbarerweise Harlows Bremslichter, und der Coronado zog in weitem Bogen heraus, als ob Harlow beschlossen hätte, den langsamen Wagen zu überholen, bevor Jethou ihn überholte. Wenn das seine unerklärliche Absicht gewesen war, dann war es die wahnsinnigste seines Lebens gewesen, denn er kam Jethou direkt in die Quere, der auf der Geraden mit mindestens dreihundertzwanzig Stundenkilometern dahinraste und in dem Sekundenbruchteil, der ihm zur Verfügung stand, nicht die geringste Chance hatte, zu bremsen oder auszuweichen, um sich zu retten. Jethous Vorderrad prallte mit voller Wucht gegen das Vorderrad des Coronado. Für Harlow waren die Folgen des Zusammenstoßes zwar ernst, denn sein Wagen fing an, unkontrolliert zu trudeln, aber für Jethou waren sie tödlich. Sogar über das Röhren hochgepeitschter Motoren und das Kreischen blockierter Reifen auf der Fahrbahn hinweg war das schußähnliche Geräusch zu hören, mit dem Jethous Vorderreifen platzte, und in diesem Augenblick war Jethous Schicksal besiegelt. Sein Ferrari – völlig außer Kontrolle und nun nicht mehr als ein mechanisches Monster, das auf seine eigene Zerstörung aus war – prallte gegen die Leitplanken, wurde zurückgeschleudert und schlidderte, während bereits Flammen aus dem
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