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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen
Autoren: Mary Monroe
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noch geblieben war.
    Ella drehte sich vom Fenster weg, als ein hinkendes junges Mädchen von ihren Freunden in die Notaufnahme geleitet wurde. Das Mädchen trug knappe Kleidung und viel Make-up, aber Ella schätzte sie auf maximal fünfzehn. Dankbar für die Ablenkung lief sie der Gruppe entgegen und legte dem Mädchen den Arm um die zitternden Schultern. Das Mädchen brach in Tränen aus, und Ella dachte bei sich, dass in der Notaufnahme alle Fassaden zum Einsturz gebracht wurden.
    “Ihr müsst hier draußen warten”, erklärte sie der Gruppe aufgebrachter und besorgter Freundinnen, während sie die junge Patientin in das Behandlungszimmer führte.
    Der Zeh des Mädchens war durch eine Muschel aufgerissen, und alles, was sie brauchte, waren ein paar Stiche, und die Wunde würde schnell wieder verheilen. Doch als Ella in das aschfahle Gesicht blickte, die zitternden Lippen sah und die Tränen in den Augen, wusste sie, dass das Mädchen mehr brauchte. Sie griff nach ihrer Hand.
    “Carrie”, sagte sie beruhigend. “Ich werde die Wunde säubern, und dann wird der Arzt den Schnitt nähen. Alles wird wieder gut.”
    Das Mädchen sah in Ellas Augen, und ihre Angst verebbte. Sie nickte. “Ich denke, ich hätte einfach besser aufpassen sollen.”
    “Du hast nichts falsch gemacht. Es ist doch nur natürlich, dass man gern barfuß über den Strand läuft. Und da kann so was schon mal passieren.”
    Das Mädchen lächelte sie dankbar an. “Wissen Sie, es war das erste Mal, dass ich das Meer gesehen habe. Ich mache hier mit meiner Familie Urlaub. Wir kommen aus Ohio. Sie haben so ein Glück, hier zu leben.”
    Ella lächelte und stand auf, um das Besteck für den Assistenzarzt vorzubereiten. “Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass ich noch nie am Meer war?”
    “Echt? Aber das Meer ist doch hier. Und sie können jederzeit hingehen.”
    Ella fühlte den Schmerz in ihrem Herzen und war froh, dass sie ihrer Patientin den Rücken zugewandt hatte. Harris hatte ihr versprochen, sie und Marion in diesem Sommer auf einen Ausflug ans Meer mitzunehmen. Ella hatte sich bis jetzt noch nicht dazu durchringen können, allein ans Wasser zu gehen.
    Die Tür zum Behandlungszimmer wurde aufgestoßen, und eine Schwester steckte ihren Kopf herein. Ella konnte hinter der Schwester die Gesichter der besorgten Freundinnen ihrer Patientin erkennen.
    “Ella? Wir haben gerade einen Anruf aus dem Rettungswagen bekommen. Sie bringen zwei Verbrennungsopfer.”
    Ella nickte. “Der Arzt wird gleich hier sein. Und hab keine Angst. Alles wird wieder gut”, sagte sie zu dem jungen Mädchen und tätschelte ihr die Hand.
    Dann rannte sie in den Flur, erklärte den Freundinnen schnell, dass alles in Ordnung war, und lief weiter. Adrenalin schoss durch ihren Körper. Menschen mit Verbrennungen waren am schwierigsten zu behandeln. Jede Sekunde zählte.
    “Was wissen wir über die Opfer?” fragte Ella, als sie zu Liz an den Empfang kam.
    Liz war eine Frau in den besten Jahren, die schon alles erlebt hatte. Es brauchte schon eine Menge, um sie aus der Ruhe zu bringen. Sie war füllig und musste die Luft anhalten, als sie über den Schreibtisch nach den Unterlagen griff. “Hier ist es. Der Bericht sagt, das Feuer war drüben in Awendaw”, sagte sie. “Im Center für Greifvögel. Sie bringen zwei Verbrennungsopfer.”
    Wie erstarrt hörte Ella dem restlichen Bericht der Schwester zu. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und sie konnte die Worte nicht verstehen. Immer und immer wieder hörte sie nur
Feuer … Center für Greifvögel … zwei Opfer
. Und alles, an was sie denken konnte, war, wer?
    “Ella, bist du in Ordnung?”
    Sie wurde sich bewusst, dass Liz sie aus ihren großen blauen Augen besorgt musterte, da sie auf keine der Fragen mehr geantwortet hatte.
    “Wer sind die Opfer?” stieß sie hervor.
    Verwundert über den aggressiven Tonfall in Ellas Stimme lehnte sich Liz in ihrem Stuhl zurück. Sie senkte den Kopf und studierte erneut den Bericht. Doch dann schüttelte sie den Kopf, hob den Blick und sagte fast entschuldigend: “Es gibt hier keine Namen. Im Bericht steht nur, dass es sich um eine Frau und einen Mann handelt.”
    “Eine Frau?” fragte Ella. “Kein Kind? Ein kleines Mädchen?”
    Liz verneinte und runzelte fragend die Stirn. “Das ist alles, was in dem Bericht steht.”
    Ella stieß sich vom Empfangstresen ab und rannte in den Diagnoseraum. Ihre Schritte hallten auf dem Boden wider. Während sie lief, fragte sie
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