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Delia 2 - Delia und der Sohn des Haeuptlings

Delia 2 - Delia und der Sohn des Haeuptlings

Titel: Delia 2 - Delia und der Sohn des Haeuptlings
Autoren: Marie Louise Fischer
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dass sie ihr nie eine Frage stellen würde, um sie nur ja nicht zu einer Lüge zu verlocken. Die Iowanokas waren ein sehr ehrliebendes Volk, und Verlogenheit galt als genauso schändlich wie Feigheit.
    „Entschuldige bitte, dass ich jetzt erst komme“, murmelte Delia kleinlaut, „aber…“ Sie stockte. Nein, sie wollte wirklich nicht mehr lügen, das hatte sie sich fest vorgenommen, und warum sie wirklich immer wieder davonlief, das konnte die gut erzogene junge Indianerin ja doch nicht verstehen.
    Sie wollte sich neben ihre Schwester setzen, doch Inona hob abwehrend die Hand. „Der große Häuptling will Tapferes Eichhörnchen sprechen“, sagte sie.
    „Mich?“ rief Delia erschrocken.
    „Der große Häuptling sagt so“, erwiderte Inona, ohne eine Miene zu verziehen.
    „Aber warum denn nur?“
    „Tapferes Eichhörnchen wird es vom großen Häuptling erfahren.“
    Delia begriff, hier war nichts zu machen. Ob Inona nun Bescheid wusste oder nicht, sicher war, sie würde sich kein Wort entschlüpfen lassen.
    „Ja, schön“, sagte sie mit gespielter Gelassenheit. „Da kann man nichts machen …“ Und sie marschierte ab.
    In Wirklichkeit war ihr gar nicht wohl in ihrer Haut. Alles, was sie in der letzten Zeit angestellt hatte, fiel ihr ein: ihre heimlichen Jagdausflüge mit Akitu und dem Professor, das lederne Kleid, das sie mit den schönen indianischen Mustern hatte verzieren sollen und das sie verdorben hatte, ja sogar, dass der Professor den Mokassin, den weichen Lederschuh, vom tapfersten und grausamsten Krieger, Grausame Schlange, gestohlen und zerbissen hatte. Dass der Häuptling sie jetzt zu sich rief, konnte, so glaubte sie, nur ein Strafgericht bedeuten. Das Herz klopfte ihr bis zum Halse, aber sie setzte ihre verschlossenste indianische Miene auf, denn sie wusste, nur durch Selbstbeherrschung und Festigkeit konnte sie bei ihrem Indianervater etwas erreichen, bestimmt nicht durch Bitten, Betteln oder gar Weinen.
    Sie war sehr überrascht, als sie sich, gerade als sie in den Wigwam treten wollte, ihrem Freund und Bruder Akitu gegenübersah. Akitus dunkles, beherrschtes Gesicht zeigte keine Regung. Er war jetzt nicht mehr ihr Spielkamerad, sondern ganz Indianer und Häuptlingssohn.
    Delia ließ Akitu höflich den Vortritt — der Mann galt bei den Indianern viel, viel mehr als die Frau und hatte in allem und jedem den Vorrang –, schlüpfte hinter ihm ins Wigwam, kreuzte die Arme über der Brust und verbeugte sich mit niedergeschlagenen Augen. Der Professor hatte es ohne jeden Befehl vorgezogen, draußen zu warten und streckte in der Sonne alle Viere von sich.
    Eine Weile war es ganz still in dem halbdunklen Raum. Delia schnupperte, ihr war Tabakrauch in die Nase gestiegen. Wenn der Häuptling rauchte, war das ein gutes Zeichen. Sie wagte die Augen aufzuschlagen.
    Zu ihrer Überraschung war der Häuptling nicht allein, sondern die Alten des Stammes, vier Männer mit schlohweißem schulterlangem Haar, mit braunen Ledergesichtern, die von unzähligen Falten und Furchen durchzogen waren, saßen neben ihm im Halbkreis. Eine Pfeife ging zwischen ihnen von Mund zu Mund, von Hand zu Hand. Aber alle fünf Augenpaare starrten durchbohrend auf Delia und Akitu.
    Delia war das lastende Schweigen sehr unheimlich. Sie war nahe daran, mit einer Frage herauszuplatzen. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, wie ungehörig es wäre, vor dem Häuptling das Wort zu ergreifen. So presste sie die Lippen fest aufeinander.
    Endlich durchbrach die tiefe, kräftige Stimme des Häuptlings die Stille. „Setzt euch, meine Kinder!“
    Delia traute ihren Ohren nicht. Diese Aufforderung war ungeheuer ehrenvoll. Langsam ließ sie sich mit gekreuzten Beinen niedersinken, hielt den Rücken sehr gerade, legte die flachen Hände auf die Knie, so wie es sich gehörte und wie sie es gelernt hatte. Akitu machte es genauso.
    Der große Häuptling zog gemächlich an seiner Pfeife, stieß eine dicke Wolke Rauch aus und tat, als ob er die erwartungsvolle Ungeduld der Kinder gar nicht bemerkte. Dann, nach einer Pause, sagte er: „Meine Tochter Tapferes Eichhörnchen und mein Sohn Junger Adler werden in die Wigwams der Bleichgesichter reiten!“
    Eine Sekunde lang war Delia baff. Dann fragte sie, und sie wusste nicht, ob sie sich freuen oder enttäuscht sein sollte: „Großer Häuptling will mich fortschicken?“
    „Nein. Tapferes Eichhörnchen soll ihren roten Blutsbrüdern helfen.“
    „Das täte ich gern!“ rief Delia impulsiv. „Aber
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