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Delhi Love Story

Delhi Love Story

Titel: Delhi Love Story
Autoren: Swati Kaushal
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zu allem fähig. Zehn … neun … acht … sieben … sechs …
    »Lauf!«
    Drei … zwei … eins …
    »Hast du etwa Angst?«
    Seine Stimme hallte zwischen den Hügeln wider. Sie brannte schlimmer als die Sonne. Ich stellte mir vor, wie sich unter meinen Füßen Millionen winziger Explosionen ereigneten und mich nach vorne katapultierten. Ich atmete tausend Liter Sauerstoff ein, ich hob den linken Fuß. Ein Schritt, zwei, drei … Plötzlich drehte sich alles. Als ich das Tuch von den Augen zog, fand ich mich auf dem Boden wieder. Der Abgrund war noch ungefähr sechs Meter entfernt – obwohl ich sicher gewesen war, dass er sich direkt vor mir befand.
    »Ich bin wohl gestolpert.«
    Keds setzte wieder sein typisches Grinsen auf. Er schlenderte zum Abgrund und blickte hinunter. Ich blinzelte in die Sonne und folgte ihm. Ich zwang mich, genauso dicht an der zerfurchten Klippe zu stehen wie
er. Das war nicht gerade einfach. Der Platz am Rand schien immer schmaler zu werden, jeder einzelne verbrannte Grashalm schien sich zurückzuziehen. Als ich die Augen öffnete und nach unten blickte, schien der See mich einzusaugen. Immer weiter öffnete er sich meinen Augen und meinem Hirn, jeder einzelne Tropfen von mir wollte hineinfließen und die Leere füllen. Doch ich hatte die Herausforderung bestanden: Ich hatte in den tiefen Abgrund voller flirrender Luftschichten geblickt, hinab auf die Boote, braun wie geröstete Erdnüsse in der Sonne, und hatte überlebt.
    »Hast du Durst?«
    Ich schloss die Augen und griff nach der Flasche. Bitter und heiß wie Benzin rann das Wasser meine Kehle hinunter. Es war wie Auftanken.
    »Ich kann das«, sagte ich, »versuchen wir es noch einmal. «
    »Du kannst es nicht. Das ist ein Instinkt. Dein Bedürfnis nach Selbstschutz ist zu stark.«
    Als wäre das eine Schwäche! Als wäre er Superman. »Ich habe auch eine Herausforderung für dich«, sagte ich.
    Er zog eine Augenbraue hoch.
    »Leg dich hin.«
    »Wo denn?«
    »Genau hier. Am Rand. Leg dich hin.«
    Er kniete sich an den Rand der Klippe und legte sich hin. »Das macht Spaß!« Er drehte sich um, blickte mich an und grinste wieder.
    »Nicht so. Auf den Bauch. Schau in den Abgrund zum
See. Und dreh die Beine, du sollst senkrecht zur Klippe liegen.«
    Während er an den Rand rutschte, zeichneten seine Beine einen Viertelkreis in den Sand. Er wartete, sein Kinn berührte den Abhang.
    »Jetzt rutsch so weit nach vorne, wie du kannst.«
    »Das ist doch einfach!« Zentimeter für Zentimeter schob er sich nach vorne, zuerst den Hals, dann die Schultern und den Brustkorb. Mit den Händen hielt er sich seitlich am Abgrund fest, sein Unterkörper war angespannt.
    »Nicht festhalten.«
    Also ließ er los und breitete die Arme aus wie ein Turner. Von den Klippen auf der anderen Seite des Sees aus musste er den Adlern wie ein verrückter Cousin erscheinen.
    »Und weiter kommst du nicht?«
    Er quälte sich noch einen Zentimeter weiter nach vorne, seine Zehen berührten den Boden nicht mehr. Sein ganzer Körper war angespannt und zitterte.
    »War’s das schon? Dein Schwerpunkt ist auf Höhe deines Bauchs. Ungefähr hier.» Ich kniete mich neben ihn und stupste an seinen unteren Rücken. Das schweißnasse T-Shirt klebte an meinem Finger. »Du kannst also noch vier Zentimeter weiter.«
    »Okay.« Er bewegte sich, spannte die Muskeln an, schloss die Augen. Und hielt inne.
    »Hast du etwa Angst?«
    »Blöde Kuh.«
    Ich erinnere mich daran, wie ich grinsen musste. Dieser
Typ hing am Rand einer Klippe 100 Meter über dem See und schaffte es trotzdem noch, mich zu beschimpfen. Plötzlich gefror mein Lächeln. Sein Kopf war außer Sichtweite, hing nach unten, er flatterte mit den Armen.
    »Aaaaah!«
    Ich drückte seine Beine mit aller Macht auf den Boden. Die Jeans glitt mir beinahe aus den schweißnassen Händen. »Zieh mich hoch!«
    Meine Arme wurden von seinem Gewicht mitgerissen, ich rutschte auf den Knien vorwärts.
    »Aaaaaaaah!«
    Ich dachte, er würde sterben. Keds würde hinunterfallen und ich mit ihm. Ich schloss die Augen, spürte mein Herz und wie meine Beine wegrutschten.
    Aber an diesem Tag wollte uns der See nicht. Eine riesige, unsichtbare Kraft aus Hitze und Hysterie stieg vom Wasser zu uns hoch und stieß uns zurück. Ich wusste nicht, wie mir geschah, aber im Bruchteil einer Sekunde rollte ich mich auf Keds’ Beine und zog ihn mit Schwung nach oben. Mit der linken Hand klammerte er sich an den Felsen. Das rettete uns.
    Er rutschte
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