Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delhi Love Story

Delhi Love Story

Titel: Delhi Love Story
Autoren: Swati Kaushal
Vom Netzwerk:
eine Werbetafel wie die an der Straße gegenüber. Aber ihre ist auffälliger, genau wie der Slogan: »Ruf in Amerika an. Sooft du willst.«
    Sie zeichnet eine neue Anzeige. »Ruf in Dubai an. Täglich.«
    Eine dritte. »Ruf in London an. Einfach so.«
    Und auf einmal ergibt die wirre Handy-Anzeige auf der Werbetafel gegenüber Sinn.
    »Ist das einer deiner Kunden, Ma?«
    Sie blickt überrascht auf und findet in die Realität zurück.
»Oh«, sagt sie und legt den Block beiseite. »Nein, das war nur so eine Idee.«
    Ruheloses Genie . So hatte das Jahrbuch der Universität von Kalkutta Ma beschrieben. Als ich es entdeckte, waren die Seiten abgegriffen und vergilbt. Es lag in einer Kiste im Keller und war 20 Jahre alt.
    Wir hatten unsere Sachen für den Umzug nach Indien gepackt. Wir hatten Kisten zugeklebt und beschriftet und fast alles weggeworfen, was wir in den letzten 16 Jahren angesammelt hatten. Ma wollte einen Neuanfang. Wir nehmen nur die Fotos mit, Ann, hatte sie gesagt, die Fotos und die Bücher.
    Das Jahrbuch hatte ich in einer Kiste voller Comicausschnitte gefunden. Peanuts, Doonesbury, Dilbert und Blondie, Hunderte davon. Die eselsohrigen Papierstapel trugen Mas Handschrift, als hätte sie Entwürfe für eine erneute Veröffentlichung überarbeitet. Sie hatte Humor schon immer sehr ernst genommen.
    Ich zog den schmalen Band aus recycelter Pappe aus der Kiste und war sofort fasziniert. Der Inhalt war nicht alphabetisch oder chronologisch, sondern nach Geburtstagen geordnet. Ma war auf Seite 32 – der 10. März –direkt nach Gopal Krishnaswamy, dem beliebtesten Typen des Jahrgangs, geboren am 9. März 1964, und vor Manoj Naharas, dem Jahrgangsstreber, geboren am 12. März 1963.
    Isha Mohan. Ruheloses Genie. Spaßvogel unseres Jahrgangs. Sie wird die Welt verändern, ihr eine neue Überschrift verpassen und dann auf den Mars ziehen.
    Auf dem Bild trug sie einen verrückten Kurzhaarschnitt.
Sie lachte über das ganze Gesicht, stand vor einem See im Nebel und sah zauberhaft aus.
    Das Jahrbuch hatte sie selbst gestaltet. Ihr Name erschien im Impressum unter »Konzept, Design, Comics und Schriftbild«. Von ihr stammte auch das Titelbild – eine Bleistiftzeichnung der Universität – und die Widmung.
    »Und was haben die anderen gemacht?«, fragte ich.
    »Sie haben es gedruckt«, sagte sie.
    Später am selben Abend suchte ich nach dem Jahrbuch meines Vaters. Ich schlich im Schlafanzug an der Tür meiner Eltern vorbei in den Keller. Mit klopfendem Herzen wühlte ich mich durch Berge feuchter Kisten, auf der Suche nach einem Erinnerungsstück an die Universität von Bhopal. Wie hatten ihn seine Freunde wohl beschrieben? Sujit Rai, der Löwe unseres Jahrgangs, der Wirbelwind unseres Jahrgangs, das Feuer unseres Jahrgangs ? Die ganze Nacht durchsuchte ich die Kisten und Kästen, sogar die ganz hinten, die man nur kriechend erreichen konnte. Ich fand Ameisen, Käfer und eine Spinne, aber kein Jahrbuch. Papa kümmerte sich einfach nicht um seine Sachen.
    Am Fenster des Taxis zieht ein weiterer Wolkenkratzer vorbei, er heißt Greenleaf Estates. Wir passieren endlose, baufällige Ladenzeilen. Ich blinzele in die Sonne und schaue auf die Uhr. »Wie lange dauert es noch?«, frage ich Ma.
    »Sag Bescheid, sobald du Beverly siehst«, antwortet sie. »Tara meinte, es sei eine Minute hinter Beverly. Wie könnte Beverly wohl aussehen, Ann?«

    Ich sage, das seien die rosa Hochhäuser gewesen, an denen wir vor einer halben Stunde vorbeigekommen waren.
    »Wirklich? Tja, so haben wir wenigstens die Umgebung kennengelernt. Schau mal, Ann, noch ein Einkaufszentrum! «
    Wenn ich sagen würde, Ma sei aufgeregt, käme das der Beobachtung gleich, die Sonne sei heiß. Ma hatte das Jobangebot vor zwei Monaten bekommen, in der letzten Aprilwoche. Creative Director von Kaleidoscope, Indiens am schnellsten wachsender Werbeagentur. An diesem Abend kam sie mit leuchtenden Augen nach Hause und versprühte eine Leichtigkeit, die ich lange nicht erlebt hatte.
    »Das ist eine große Sache, Ann!«, sagte sie. »Sie bezahlen die Unterkunft, den Umzug, den ganzen Kram!«
    Ich saß gerade auf dem Sofa und machte meine Hausaufgaben. Ich hob den Kopf und dachte an unser Haus, an die Umgebung, an alles, was eben kein »Kram« war.
    »Die Dinge sind so festgefahren! Es kommt mir vor, als hätte ich all die Jahre im Koma gelegen. Wenn ich nicht bald aufstehe und losgehe, dann weiß ich nicht mehr, wie das geht!«
    Ich ließ ihr das durchgehen, obwohl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher