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Delhi Love Story

Delhi Love Story

Titel: Delhi Love Story
Autoren: Swati Kaushal
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veranstalteten abwechselnd Grillfeste. Wenn die Lindstroms, Bowmans oder Jensens an der Reihe waren, gab es Burger und Spareribs. Wir Rais servierten Tandoori Chicken, das wir bei einem indischen Restaurant bestellten. Die Harrises blieben meist für sich.
    Sonntags abends saßen Jess, Jaime und ich in Flip-Flops und kurzen Hosen auf der Verandatreppe und streckten die Beine von uns. Jesses und Jaimes lange Beine schienen in der Sonne goldfarben; meine waren dick und kräftig und hatten die Farbe von nasser Rinde. Als ich klein war, störte es mich sehr, so braun zu sein. Papa
lachte nur und meinte, ich sei eben eine wahre Punjabi , stark und abgehärtet wie Lehmboden und schön wie Weizenfelder. Ich antwortete, er brächte da etwas durcheinander: Ich sei aus Minnesota und Ma aus dem Punjab . Und überhaupt, warum war meine Mutter so hellhäutig?
    »Deine Mutter ist eben keine wahre Punjabi .«
    Meine Mutter saß über ihre Entwürfe gebeugt am Esstisch und warf einen Stift nach Papa.
    Sonntags abends riefen auch Nana und Nani aus New Jersey an – und zwar immer dann, wenn wir gerade beim Essen saßen. Ob um sechs, sieben, acht oder neun Uhr: Das Telefon klingelte immer dann, wenn wir uns hinsetzten.
    »Die können die verbrannte Pizza eben bis nach New Jersey riechen«, sagte Papa dann.
    »Ach, Suj, sei still«, antwortete Ma.
    Sie ging zum Telefon und setzte ein braves Lächeln auf. »Ja, Mama, hier ist Isha. Wir haben schon gegessen. Was es gab? Ach, nichts Besonderes, das Übliche. Chapattis, Dhal, Subzi und Raita . Welches Subzi ? Ach, Palak Paneer . Und Arhar Dal . Ja, ich weiß. Es geht nichts über ein gutes indisches Essen.«
    Mein Vater und ich prosteten Ma mit unseren Colalight-Dosen zu und bissen in die verbrannte Pizza. Ma ging mit ihrer Pizza und dem Telefon auf die Veranda. Sie behauptete, dort sei sie am kreativsten.
    An einem Sonntagabend kam der Anruf. Ma und Papa hatten gerade geplant, im Frühjahr nach New Jersey zu fahren und Nana, Nani und Onkel Arun und seine
schreckliche Frau zu besuchen. Ich selbst blätterte in Prospekten über Acapulco. Die Pizza war an diesem Abend nur leicht verbrannt. Papa grinste, als das Telefon klingelte. Ma trat ihn zärtlich unter dem Tisch und stand auf.
    »Sag ihr, dass wir heute Rajma-Chawal essen«, rief Papa ihr hinterher.
    »Nein, Puris mag sie am liebsten«, scherzte Ma.
    Als sie zurückkam, lachte sie nicht mehr. Ihr Lippenstift wirkte auf einmal unregelmäßig, ihr Gesicht bleich. Ihre Stimme, die Haare, die Kleidung, die Körperhaltung, alles schien mit einem Mal verrutscht, als sei sie eben aus der Achterbahn in Valleyfair geklettert. »Das war die Arztpraxis«, sagte sie.
    In jenem Jahr gab es keine Frühlingsferien; der Winter dauerte bis in den Herbst hinein. Jeder Monat war kalt und weiß: Kälter als der Kaffee im Krankenhaus, weißer als die Krankenhausbettwäsche und die Bettpfannen und Papas Haare, die büschelweise ausfielen. An einem Sonntagabend sieben Monate später rief Ma Arun- Mama , Nana und Nani in New Jersey an, außerdem Dadi und Satish- Tau und Girish- Tau in Bhopal.
    Eine Bodenwelle schleudert mich plötzlich nach vorn gegen den Fahrersitz. Ich halte mich fest und spüre, dass ich schon wieder diesen Kloß im Hals habe. Die Dose Cola light, die Ma mir gegeben hat, ist bis auf ein paar warme Tropfen leer. Sie spritzen auf mein Kinn, als der Fahrer an einer der vielen roten Ampeln scharf bremst. Wieder staut sich der Verkehr, und wieder versucht jeder,
den besten Platz an der Ampel zu ergattern. Ein dünner Mann auf einem blauen Motorroller quetscht sich zwischen unser altmodisches, eiförmiges Taxi und den neuen Toyota neben uns; mit dem Lenker stößt er dabei ein paar Mal an die Tür des Toyota. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und beginnt eine Schimpftirade. Der Rollerfahrer scheint ihn gar nicht zu bemerken.
    Der Kloß in meinem Hals verschwindet langsam.
    Auf der anderen Straßenseite hebt eine Kuh den Kopf und ist kurz davor, einen Fladen abzudrücken. Der Mann auf dem Motorrad hinter ihr weicht aus, aber er ist nicht schnell genug. Der Kloß in meinem Hals ist jetzt weg. Genau darum ging es doch, oder? Hierher sind wir zurückgekommen: eine Welt voller Gegensätze, fliegender Kuhmist, tröstendes Chaos. Wer weiß, vielleicht funktioniert das sogar.
    Ich schaue Ma an. Sie hat ihren Skizzenblock auf dem Schoß und kritzelt etwas. Ich beobachte, wie ihre Finger über das Papier fliegen. Ein Rechteck entsteht, genauer gesagt
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