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Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
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sich befindet. Wir können leider nichts tun, solange es keinen Hinweis auf eine Straftat gibt und keine Gefahr für Leib und Leben der vermissten Person besteht.« Sie lächelte professionell. »Ich verstehe Ihre Sorge. Aber in den meisten Fällen erweist sie sich als unbegründet. Es kommt häufiger vor, als man glaubt, dass Menschen etwas Unerwartetes tun.«
    »Aber er hat weder sein Handy noch seine Wohnungsschlüssel mitgenommen. Er hat den Computer und das Licht angelassen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Mina erzählte, wie sie mithilfe des Hausmeisters in Thomas’ Wohnung eingedrungen war.
    »Seitdem war ich praktisch jeden Tag in dem Wohnheim und habe immer wieder nachgefragt, aber niemand hat Thomas gesehen. Es … es ist, als habe er sich in Luft aufgelöst.«
    Die Beamtin setzte wieder ihr unechtes Lächeln auf.
    »Keine Sorge, in Luft aufgelöst hat sich bisher noch niemand. Wenn Ihnen so sehr daran gelegen ist, seinen Aufenthaltsort zu ermitteln, kann ich Ihnen lediglich raten, sich an eine Detektei zu wenden.«
    »Aber was ist, wenn ihn jemand … beseitigt hat?«
    »Haben Sie dafür einen konkreten Verdacht?«
    »Nein, aber …«
    »Wie gesagt, solange es keinen Hinweis auf eine Straftat gibt, können wir nicht tätig werden. Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen. Jedes Jahr verschwinden Tausende Personen auf unerklärliche Weise – und tauchen irgendwann wieder auf.«
    »Ja, vermutlich haben Sie recht. Danke.«
    Als Mina das Polizeirevier verließ, schlug ihr original Berliner Nieselregen entgegen. Er fühlte sich angenehm kühl auf der Haut an.
    Was, wenn er recht hat?
    Sie blickte sich um. Das Revier lag unweit ihrer Wohnung in der Wedekindstraße, einer auf einer Seite baumbestandenen Nebenstraße in Friedrichshain. Eine Mutter mit Kopftuch und Kinderwagen schob sich an ihr vorbei. Auf der anderen Straßenseite stritt sich ein junges Paar. Die Welt war vertraut und kam ihr doch auf einmal fremd vor.
    Was, wenn das alles nicht real ist?
    Mina hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass die Polizei viel tun würde. Wahrscheinlich war das auch nicht nötig. Thomas würde irgendwie wieder auftauchen. Alles würde sich als großes Missverständnis herausstellen.
    Sie klammerte sich an diesen Gedanken wie ein Schiffbrüchiger an einen Rettungsring. Denn die Alternative war unerträglich.
    Was, wenn sie ihn einfach gelöscht haben?
    Mina hatte sich nie viel aus Science-Fiction gemacht, obwohl das Genre unter Informatikstudenten sehr populär war … Wenn sie etwas las, dann meistens Fachbücher, hin und wieder vielleicht mal eine Biografie. Früher, als Teenager, hatte sie Vampirgeschichten geliebt, doch aus dem Alter war sie längst raus.
    Das Buch von Thomas hatte sie jedoch in seinen Bann gezogen. Eigentlich hatte sie beim Lesen nur irgendeinen Hinweis auf Thomas’ Verbleiben erhofft, doch bald hatte sie eine eigentümliche Faszination ergriffen. Inzwischen hatte sie es zweimal von vorne bis hinten durchgelesen.
    Das Buch war bereits in den Sechzigerjahren erschienen. Die Computer des Jahres 2034 , die man sich damals vorgestellt hatte, waren so groß wie dreistöckige Häuser, die Städte voller Laufbänder und fliegender Autos. Die Menschen lebten in einem quasi-totalitären Staat, der mit einem Heer von Interviewern fanatisch die Meinung seiner Bürger ausforschte. Das allgegenwärtige Internet, die Tatsache, dass Firmen wie Google, Facebook und Amazon durch simple Beobachtung mehr über die eigenen Vorlieben wussten als man selbst, waren damals noch unvorstellbar gewesen. Doch es waren weniger der Retrocharme und die satirischen Untertöne, die sie an Galouyes Roman faszinierten. Es war diese bedrückende Atmosphäre, das Gefühl des Protagonisten, dass ihm die Welt zwischen den Fingern zerrann wie Sand im Sommerwind. Ein Gefühl, das Mina auf einmal seltsam vertraut vorkam.
    Nach längeren Spielsessions in World of Wizardry hatte sie manchmal den Eindruck gehabt, als sei die Welt um sie herum weniger real als die Fantasiewelt Goraya , in der das Spiel angesiedelt war. Sie hatte dies auf einen Gewöhnungseffekt des Gehirns zurückgeführt, so wie es einem nach einem Segeltörn auf der Ostsee manchmal so vorkam, als schwanke der Boden, wenn man an Land zurück war.
    Nun war sie sich nicht mehr so sicher, ob es nicht doch mehr war als das.
    Trotz seiner antiquierten technischen Vorstellungen nahm der Roman die Entwicklung der virtuellen Realität in vielerlei Hinsicht bemerkenswert exakt vorweg. Und
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