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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition)
Autoren: Amy Garvey
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Wochen, nachdem wir uns kennengelernt hatten«, erzähle ich ihm und flüstere, obwohl uns hier oben niemand hören kann. Ich verschränke meine Finger mit seinen, drücke sie fest. Sogar jetzt fühlt sich seine Hand noch vertraut an, riesig um meine, die langen Knochen seiner Finger kräftig. »Wir waren draußen vor der Bibliothek, und es war beinah dunkel und richtig kalt. Du hast dein Algebrabuch auf das Fensterbrett gelegt, damit du mir deinen Schal um den Hals binden konntest, und ich habe deine Hände genommen und dich zu mir runtergezogen und geküsst. Direkt vor den Augen von Tommy Gellar und dieser freakigen Cheerleaderin, mit der er damals ins Bett ging.«
    So wie ich es erzähle, ist es nicht romantisch, aber Danny lächelt trotzdem und der starre Blick seiner Augen wird weicher. »Du hast nach Juicy Fruit geschmeckt«, sagt er und presst seine Stirn an meine. »Daran erinnere ich mich.«
    Ich mich auch. Ich erinnere mich an so viel mehr, als ich ihm erzähle, denn sogar jetzt wird mir noch heiß dabei, und es ist mir unangenehm, manche Dinge laut auszusprechen. Da war die Art, wie sein Oberschenkel gegen meinen drückte, während wir seinen kläglichen Versuch durchgingen, den Symbolismus in der Glasmenagerie zu erläutern. Der warme, irgendwie würzige Geruch, der von ihm und seinen diversen T-Shirt-Schichten ausging. Das spannungsgeladene Summen unter meiner Haut, jedes Mal wenn er sich zu mir beugte, um mir eine Frage zu stellen, und sein Atem an meiner Wange entlangstrich.
    Wenn ich gewollt hätte, hätte ich an diesem Abend von meinem Stuhl schweben und die Decke berühren können, allein, weil ich neben ihm saß. Und als ich ihn küsste, meinen Mund öffnete, um ihn zu schmecken, und die Augen schloss, hatte sich die Dunkelheit hinter meinen Lidern in geschmolzenes Gold verwandelt.
    Den Schal habe ich immer noch, verstaut in einem ramponierten Karton unter meinem Bett.
    »Ich hätte dich geküsst, weißt du«, sagt er und fährt mit der Hand über meine Rippen, wobei er jede einzelne mit seinem Daumen antippt. »Wenn du mich nicht zuerst geküsst hättest.«
    Ich glaube ihm. Aber alles in allem spielt es eigentlich keine Rolle. Ich bin ihm schon immer einen Schritt voraus gewesen, selbst wenn ich nicht weiß, in welche Richtung ich gehe oder wohin es uns führen wird.
    Im Haus ist es dunkel, als ich durch die Hintertür hineinhusche. Es ist beinahe elf an einem Schulabend, und Robin ist wahrscheinlich in ihrem Zimmer und telefoniert. Ich durchquere die Küche und werfe einen Blick ins Wohnzimmer, wo Mum zusammengerollt auf dem Sofa liegt. Die Lichter sind aus und der blaue Schimmer des Fernsehbildschirms flackert über ihr Gesicht. Ich bin eine Sekunde wie erstarrt, normalerweise schläft sie um diese Zeit schon, zumindest seit sie mit Tom Schluss gemacht hat.
    Ihre Beziehungen währen nie lange. Ich frage mich, ob es die Männer entmutigt, das Bild von meinem Dad auf dem Kaminsims zu sehen. Obwohl er schon seit zehn Jahren fort ist, steht das Bild nach wie vor da. Mom meint, sie ließe es für Robin und mich dort stehen, aber ich habe oft genug beobachtet, wie auch sie einen Blick darauf wirft.
    Und das ist genau das, was ich nicht ertragen konnte. Dass aus Danny eine dieser Erinnerungen werden würde, wie ich sie an meinen Dad habe – das verblasste, schwer fassbare Gefühl seiner stoppeligen Wange, die an meinem Gesicht kratzte, wenn er mich umarmte, der Tannennadelduft seines Aftershaves, sein leises, grummelndes Lachen.
    »Wren?«
    Ich mache kehrt, bevor sie den Kopf heben kann, und tue so, als ob ich auf dem Weg in die Küche sei – und nicht andersherum. Als sie sich aufsetzt, schäle ich mich aus meiner Jacke und werfe sie in Richtung der schmalen Stiege, die in den Keller führt.
    »Ich hole mir nur noch was zu trinken«, sage ich und gehe in die Küche, ohne abzuwarten, ob sie mir folgen wird. Ich nehme gerade eine Dose Limo aus dem Kühlschrank, als sie gähnend hereingetapst kommt und sich das Haar aus dem Gesicht streicht.
    Sie küsst meinen Hinterkopf, und ich schließe die Augen, während ich darauf warte, dass sie etwas sagt. Ich spüre noch immer die Kühle der Nacht auf meiner Kleidung, meiner Haut, obwohl ich ja den ganzen Abend auf meinem Zimmer war, soweit meine Mutter weiß.
    Doch sie löst sich wortlos von mir und füllt den Teekessel mit Wasser. Ich lehne mich mit meiner Limo an den Kühlschrank, insgeheim hoffe ich, dass es ihr nicht auffällt, wenn ich die Dose nicht
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