Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
Ihr Brustkorb voller Blut laufen wird.«
    Ihr Blick ist starr auf das Wasser gerichtet. Ich bin sicher, dass sie mir zuhört.
    »Ihre Arme und Beine werden unversehrt bleiben, aber Ihre Hals- oder Lendenwirbel werden vermutlich brechen. Es ist kein schöner Anblick. Und es ist nicht schmerzlos. Jemand muss Sie bergen. Jemand muss Ihre Leiche identifizieren.«
    Hoch über uns hört man ein Donnergrollen. Die Luft vibriert, und die Erde scheint zu zittern. Irgendetwas naht.
    Sie sieht mich an.
    »Sie verstehen nicht«, flüstert sie mir zu und lässt das Telefon sinken. Für den Bruchteil einer Sekunde scheint es an ihren Fingerspitzen zu kleben, als wolle es sich an sie klammern, bevor es trudelnd im Abgrund verschwindet.
    Der Himmel verdüstert sich, und mir tritt ein halb verschwommenes Bild vor Augen - eine sich verflüchtigende Gestalt, den Mund zu einem Schrei der Verzweiflung aufgerissen. Ihr Po ist nicht mehr gegen das Gitter gepresst, ihr Arm nicht um den Draht geschlungen.
    Sie wehrt sich nicht gegen die Schwerkraft, rudert nicht mit Armen und Beinen oder klammert sich an die Luft. Sie ist verschwunden, stumm aus meinem Blickfeld gefallen.
    Alles scheint stehen zu bleiben, als ob die Welt einen Herzschlag ausgesetzt hätte oder zwischen zwei Pulsschlägen hängen
geblieben wäre. Und dann gerät plötzlich alles wieder in Bewegung. Notärzte und Polizisten rennen an mir vorbei. Menschen schreien und weinen. Ich wende mich ab und gehe zurück zu der Absperrung, während ich mich frage, ob das Ganze nicht Teil eines Traumes ist.
    Sie blicken auf den Punkt, wohin sie gestürzt ist, und stellen alle die gleiche Frage oder denken sie zumindest: Warum habe ich sie nicht gerettet? Ich schrumpfe unter ihren Blicken. Ich kann ihnen nicht ins Gesicht sehen.
    Mein linkes Bein versagt, und ich sinke auf alle viere und starre in eine schwarze Pfütze. Ich rappele mich wieder hoch, dränge mich durch die Menschenmenge und ducke mich unter der Straßensperre durch.
    Ich stolpere am Straßenrand entlang, platsche durch Pfützen und schlage nach den Regentropfen. Vor dem Himmel zeichnen sich kahle Bäume ab, die sich anklagend in meine Richtung neigen. Im Straßengraben rauscht und schäumt Wasser. Die Fahrzeugschlange wirkt wie ein unbeweglicher Strom. Ich höre zwei Fahrer miteinander reden. Einer ruft mir etwas zu.
    »Ist sie gesprungen? Was ist passiert? Wann wird die Brücke wieder freigegeben?«
    Wie ein Schlafwandler gehe ich weiter und starre wütend geradeaus. Mein linker Arm schwingt nicht mehr mit. In meinen Ohren rauscht Blut. Vielleicht war es mein Gesicht, was sie dazu bewogen hat. Das parkinsonsche Maskengesicht, starr wie abkühlende Bronze. Hat sie etwas gesehen oder etwas nicht gesehen?
    Ich taumle zum Rinnstein, beuge mich über das Geländer und übergebe mich, bis mein Magen leer ist.
     
    Auf der Brücke kotzt sich ein Typ die Seele aus dem Leib. Er hockt auf allen vieren und redet mit einer Pfütze, als ob die zuhören würde. Frühstück. Mittagessen. Alles rausgewürgt. Ich hoffe, er muss schwer schlucken, wenn ihm etwas Rundes, Behaartes hochkommt.

    Menschen schwärmen auf die Brücke und starren über den Rand. Sie haben gesehen, wie mein Engel gefallen ist. Wie eine Marionette, deren Fäden gekappt wurden, ist sie mit schlaffen Gliedern und Gelenken in die Tiefe getaumelt, nackt, wie sie auf die Welt gekommen ist.
    Ich habe ihnen eine Show geboten, einen Hochseilakt; eine Frau, die über den Rand ins Nichts getreten ist. Habt ihr gehört, wie ihre Seele zerbrochen ist? Habt ihr gesehen, wie die Bäume im Hintergrund zu einem grünen Wasserfall verschwammen? Einen Moment war es, als würde die Zeit stillstehen.
    Ich nehme den Stahlkamm aus der Gesäßtasche meiner Jeans und ziehe gleichmäßige Furchen von der Stirn bis in den Nacken, ohne den Blick von der Brücke zu wenden. Ich presse die Stirn ans Fenster und betrachte die im flackernden Licht der Einsatzfahrzeuge blau und rot glänzenden, geschwungenen Kabel.
    Böen, die an den Läden rütteln, wehen winzige Tropfen gegen die Scheibe, die an dem Glas hinunterperlen. Es wird dunkel. Ich wünschte, ich könnte von hier aus den Fluss sehen. Trieb sie auf der Wasseroberfläche, oder ist sie direkt auf den Grund gesunken? Wie viele Knochen sind gebrochen? Hat sich ihr Darm im Moment ihres Todes entleert?
    Das Turmzimmer befindet sich in einem georgianischen Haus, das einem Araber gehört, der England für den Winter verlassen hat. Ein reicher, in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher