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Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Autoren: Michael Robotham
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zurückgefordert. Sie haben es dann separat beerdigt. Ich habe mich immer gefragt, was bei der Beerdigung eines Gehirns anders sein könnte.«
    »Kleinerer Sarg.«
    »Schuhkarton.«
    Sie trommelt mit den Fingern aufs Lenkrad.
    »Es war nicht Ihre Schuld, wissen Sie, eben auf der Brücke.«
    Ich antworte nicht.
    »Der Hungerhaken hatte den Entschluss zu springen schon gefasst, bevor Sie überhaupt auf der Bildfläche erschienen sind. Sie wollte gar nicht gerettet werden.«
    Mein Blick schweift nach links aus dem Fenster. Es ist fast dunkel, keine Aussicht mehr möglich.
    Sie setzt mich an der Universität ab und schüttelt mir zum Abschied die Hand. Sie hat kurze Fingernägel und einen kräftigen Händedruck. Als sie wieder loslässt, klebt eine Visitenkarte in meiner Handfläche.
    »Meine Privatnummer steht auf der Rückseite«, sagt sie. »Wir sollten uns mal zusammen betrinken.«
     
    Mein Handy war abgeschaltet. Auf der Mailbox sind drei Nachrichten von Julianne. Ihr Zug aus London ist vor mehr als einer Stunde angekommen. Ihre Stimme wechselt von Nachricht zu Nachricht von verärgert über besorgt zu hektisch.

    Ich habe sie seit drei Tagen nicht gesehen. Sie war mit ihrem Boss, einem amerikanischen Spekulanten, auf Geschäftsreise in Rom. Meine großartige Frau spricht nämlich vier Sprachen und macht gerade Karriere in der Finanzwelt.
    Sie sitzt auf ihrem Koffer und arbeitet an ihrem PDA, als ich in der Kurzparkerzone am Bahnhof halte.
    »Kann ich Sie vielleicht mitnehmen?«, frage ich.
    »Ich warte auf meinen Mann«, antwortet sie. »Er hätte schon vor einer Stunde hier sein sollen, ist aber nicht gekommen. Hat nicht angerufen. Jetzt kommt er auch nicht mehr, wenn er nicht eine sehr gute Erklärung vorbringen kann.«
    »Tut mir leid.«
    »Das ist eine Entschuldigung, keine Erklärung.«
    »Ich hätte anrufen sollen.«
    »Das ist die Feststellung des Offensichtlichen, aber immer noch keine Erklärung.«
    »Wie wär’s, wenn ich dir eine Erklärung, eine unterwürfige Entschuldigung und eine Fußmassage anbiete?«
    »Du massierst mir die Füße nur, wenn du Sex willst.«
    Ich will widersprechen, aber sie hat recht. Als ich aus dem Auto steige, spüre ich den kalten Bürgersteig durch meine Socken.
    »Wo sind deine Schuhe?«
    Ich blicke auf meine Füße.
    »Sie waren voller Erbrochenem.«
    »Jemand hat dich vollgekotzt.«
    »Ich selber.«
    »Du bist ja völlig durchnässt. Was ist passiert?« Unsere Hände berühren sich am Griff des Koffers.
    »Ein Selbstmord. Ich konnte sie nicht zur Umkehr bewegen. Sie ist gesprungen.«
    Sie nimmt mich in die Arme. Sie hat einen Geruch an sich. Irgendwie anders. Holzrauch. Üppiges Essen. Wein.
    »Tut mir leid, Joe. Das muss schrecklich gewesen sein. Weißt du irgendwas über sie?«

    Ich schüttele den Kopf.
    »Wie bist du in die Geschichte verwickelt worden?«
    »Die Polizei ist zur Uni gekommen. Ich wünschte, ich hätte sie retten können.«
    »Du darfst dir nicht die Schuld geben. Du kanntest sie doch gar nicht. Du wusstest nicht, welche Probleme sie hatte.«
    Öligen Pfützen ausweichend, verstaue ich ihren Koffer im Kofferraum und halte ihr die Fahrertür auf. Sie rutscht hinters Lenkrad und zupft ihren Rock zurecht. Das macht sie inzwischen automatisch - sich ans Steuer setzen. Von der Seite sehe ich eine Wimper über ihre Wange streichen, als sie blinzelt, und ihre rosafarbene Ohrmuschel, die zwischen ihrem Haar hervorlugt. Mein Gott, ist sie schön.
    Ich weiß noch genau, wie mein Blick in einem Pub in der Nähe des Trafalgar Square zum ersten Mal auf sie fiel. Sie studierte im ersten Jahr Sprachen an der University of London, wo ich Postgraduate-Student war. Sie war Zeugin eines meiner heroischsten Momente geworden, einer Rede gegen das Übel der Apartheid, gehalten auf einer Obstkiste vor der südafrikanischen Botschaft. Ich bin sicher, irgendwo in den Gedärmen des MI 5 schlummert noch eine Mitschrift dieser Rede sowie ein Foto meiner Wenigkeit mit Schnauzer und Schlaghosen.
    Nach der Kundgebung gingen wir in einen Pub, und Julianne kam zu mir und stellte sich vor. Ich lud sie zu einem Drink ein und versuchte, sie dabei nicht anzustarren. Sie hatte einen kleinen dunklen Fleck auf der Unterlippe, der absolut betörend war … und immer noch ist. Wenn ich mit ihr rede, wird mein Blick davon angezogen, wenn ich sie küsse, meine Lippen.
    Ich musste nicht mit Dinner bei Kerzenschein und Blumen um Julianne werben. Sie hat mich ausgewählt. Und ich schwöre, am
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