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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Autoren: Deborah Crombie
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hatte, daß sie sie je haben würde. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und küßte ihn auf den Mund. Dann trat sie zurück und betrachtete ihn ernst. »Ich kann nicht«, sagte sie. »Es tut mir leid.« Und bevor sie ihre Meinung noch ändern konnte, wandte sie sich ab und ging davon.
     
    Nichts rührte sich, als Teresa an Reg Mortimers Wohnungstür klingelte. Dann drückte sie versuchshalber die Klinke herunter, und die Tür schwang auf.
      »Reg?« rief sie leise, trat ein und sah sich um. Das Wohnzimmer war ein einziges Chaos. Umzugskartons, einige bereits verschlossen, standen überall herum, und die kahlen Wände sahen nach Abschied aus.
      Teresa hatte erneut seinen Namen gerufen, als sie ihn in einem Stuhl auf dem kleinen runden Balkon entdeckte. Er trug trotz der Wärme eine formlose, alte Wolljacke.
      Sie trat zu ihm ins Freie. »Ich werde die Aussicht vermissen«, sagte er unvermittelt, als setze er eine Unterhaltung fort.
      »Wohin willst du?«
      »Ich ziehe eine Weile zu meinen Eltern, bis ich einen Job gefunden habe und wieder auf die Füße komme. Das Umzugsunternehmen kommt morgen.«
      »Ich möchte mit dir reden.« Sie stellte sich zwischen ihn und den Fluß und versperrte ihm die Aussicht. »Es ist wegen der Firma.«
      »Teresa, ich ...«
      »Nein, hör mir zu! Ich habe mit dem Gedanken gespielt, ebenfalls zu kündigen. Ich war mir nicht klar darüber, ob ich weitermachen kann ... nach allem, was passiert ist. Aber wir müssen jetzt an Jo denken. Sie braucht mich. Und ich ... Ich glaube, ich schaffe es nicht ohne dich«, fügte sie hastig hinzu. Wie sollte sie noch deutlicher werden, ohne auch den letzten Rest an Stolz zu verlieren?
      Reg sah stirnrunzelnd an ihr vorbei. »Ich hab’s dir doch schon gesagt! Du unterschätzt dich, Teresa. Du schaffst das mit Bravour.«
      »Also gut. Ich unterschätze mich nicht«, sagte sie plötzlich gereizt. »Ich schaffe es vielleicht. Aber du nicht. Du bist... ein Häufchen Elend, Reg. Schau dich bloß mal an!«
      Er schien ihre Aufforderung ernst zu nehmen, zupfte an seiner schäbigen Jacke herum, und als er aufsah, trafen sich ihre Blicke. Seine Augen blitzten wider Erwarten amüsiert auf. »Mir war kalt.«
      »Du weißt, wie ich es meine.«
      »Das komische ist ... Teresa, ich hatte eine panische Angst davor, zu versagen und Annabelle zu verlieren. Und jetzt, da ich mich vor nichts mehr fürchten muß, bin ich ganz zufrieden. Ich weiß nicht, ob ich den Streß wieder haben möchte.«
      »Ich bin nicht Annabelle«, erklärte Teresa leise, und zum ersten Mal war sie froh darüber.
      »Nein«, antwortete er mit einer Verwunderung in der Stimme, die Teresa Hoffnung machte. »Das bist du wirklich nicht.«
     
    Kincaid trotzte tapfer dem Freitagnachmittagsverkehr auf dem Rückweg von Cambridge und hielt das Steuerrad des Midget fest in beiden Händen, als auf der Überholspur ein Lastwagen an ihm vorbeiraste, und der kleine Wagen im Sog vibrierte und schlingerte. Ich muß mir mit der verdammten, alten Kiste allmählich wirklich was überlegen, dachte er fluchend. Aber er hatte Kit versprochen, das Auto zu behalten, und er lernte gerade, derartige Versprechen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
      Ian hatte ihn Anfang der Woche angerufen und ihn gebeten, zum frühestmöglichen Termin nach Cambridge zu kommen. Seit Ian Kit wieder in das Cottage nach Grantchester verfrachtet hatte, war der Junge schweigsam und widerborstig und verbrachte seine gesamte Freizeit mit dem Hund am Fluß.
      Und dort hatte Kincaid ihn auch vorgefunden, auf dem Bauch liegend am feuchten Ufer unter den Kastanien, wo er mit einem Stock Löcher in den Schlamm gegraben hatte.
      »Habe ich früher auch gemacht«, bemerkte Kincaid, setzte sich neben ihn und kraulte Tess hinter den Ohren. »Nach einer Weile blubbert das Wasser hoch.«
      Kit warf ihm einen flüchtigen Seitenblick zu, dann konzentrierte er sich wieder auf seine Tätigkeit. »Dachte nicht, daß du kommen würdest.«
      »Ich habe doch gesagt, ich komme.« Kincaid griff nach einem Stock und bohrte selbst ein Loch. »Hast du Lust, mich nächstes Wochenende in London zu besuchen? Ich habe ein paar Tage frei.«
      »Wirklich frei?«
      »Ja. Ich versprech’s.« Dafür wollte er sorgen, selbst wenn er dazu sein Telefon und den Pieper in die nächstbeste Mülltonne werfen mußte.
      »Vielleicht«, antwortete Kit und bohrte heftiger.
      »Wie geht’s mit dir und Ian?«
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