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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
Autoren: Tim Curran
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sich selbst zurück und verkroch sich im Keller seiner Psyche, und dort hielt er ihn fest, versteckte ihn vor dem, was im Nebel wartete, was seinen Namen rief und Obszönitäten in seine Ohren flüsterte.
    Deshalb glaubte er auch nicht an die Echtheit des Schiffs, als er es sah.
    Er blinzelte und forderte, dass es sich auflöste, aber es weigerte sich. Es kam näher, eine hohe Brigantine aus Nebel und Äther und geisterhaft weißem Ektoplasma. Ein Trugbild, ein Schatten, ein Gespensterschiff. Mehr nicht. Und doch ... er konnte es hören, konnte seine Leblosigkeit hören. Die Schratsegel hingen träge am Großmast. Wanten und Takelage baumelten schaukelnd herab, Nebeltentakel krochen an ihnen hoch wie Schlangen. Fockmast und Klüverbaum ächzten wie die Balken eines Spukhauses.
    Trotzdem glaubte Styles nicht daran.
    Selbst als die Männer ihm vom Vordeck aus etwas zuriefen und ein Boot zu Wasser ließen, glaubte er es nicht. Nicht, bis sie zu ihm gerudert kamen und ihn mit ihren feuchten, kalten Händen berührten.
    Da begann er zu schreien.
    2
    Von seiner Rettung wusste Styles nicht mehr viel.
    Nur dass ihn Hände anfassten und Stimmen mit ihm sprachen, aber er konnte sie nicht hören, und wenn doch, so verstand er sie nicht. Sie klangen, als redeten sie in einer fremden Sprache mit ihm, obwohl er wusste, dass es nicht sein konnte. Aber er hatte Fieber und seine Zähne klapperten, seine Gliedmaßen schienen schwer und wie aus Gummi zu sein, und er hörte seine eigene Stimme in einem hohen, klagenden Ton etwas über Gestalten und Stimmen im Nebel sagen, über augenlose Gesichter und kalte, weiße Finger. Der Maat nannte ihm die Namen von Schiff und Kapitän, aber Styles konnte nichts damit anfangen.
    Er war wach, dann schlief er wieder. Wurde wach und schlief ein.
    So verlief Styles’ Leben einige Tage lang. Manchmal schreckte er hoch und stellte fest, dass seine Augen weit aufgerissen waren und er in die Schatten in den Ecken der Kabine starrte; dass er sich wunderte, auf welch absonderliche Weise bestimmte Kanten sich trafen, wie sie rechte Winkel hervorbrachten, die auf sich selbst zurückfielen und gar nicht existierten. Zu anderen Zeiten träumte er von Kreaturen im Nebel, von gewaltigen Kreaturen, weder Mensch noch Tier, sondern groteske kosmische Schreckgestalten in Form intelligenter Monolithe und verderblicher Schatten, die von einer Welt in die nächste krochen.
    In seinen klareren Momenten kam die Frau des Kapitäns und flößte ihm mit einem hölzernen Löffel heiße Rinderbrühe ein. Manchmal sang sie ihm etwas vor oder erzählte in leisem, gedämpftem Ton von fernen, unerreichbaren Orten. Mehrmals vermeinte Styles, von irgendwo auf dem Schiff die näselnden, melancholischen Töne eines Harmoniums zu hören. Bisweilen sah der Maat nach ihm und fragte Styles, woher er kam und wie der Name seines Schiffs lautete und wie sie sich in dem Nebel verirrt hatten. Der Maat redete gern über den Nebel, und Styles wusste nur eins: dass der Nebel ihm Angst machte. Vielleicht war auch er überzeugt, dass es sich um ein lebendes Wesen handelte. Etwas Gewaltiges, Hungriges.
    Eines Nachts kam der Maat mit einer brennenden Kerze zu ihm. Das Licht flackerte und tanzte, weil die Hand des Maats so sehr zitterte. Er hatte eine Pistole dabei, die er Styles unter die Decke schob. »Seien Sie vorsichtig, Sir, seien Sie vorsichtig. Wir sind jetzt nur noch zehn ... die anderen sind verschwunden ... verschwunden im Nebel ... bald, schon bald werde auch ich nicht mehr da sein. Der Nebel ruft meinen Namen, er sagt mir, ich soll zu ihm kommen, sagt mir, wie es sein wird, wenn das Ende kommt ... wie ich schreien und schreien werde ...«
    Als Styles am nächsten Tag kurzzeitig erwachte, vernahm er fieberhafte Aktivitäten an Deck: ein Hämmern und Sägen, hektische Schritte, aufgeregte Rufe. Vielleicht, vielleicht hatte der Nebel sich gelichtet und Wind war aufgekommen. Styles hoffte es, aber er glaubte es nicht.
    Denn mitten in der Nacht hörte er Schreie und ein lautes, hohles Dröhnen. Und ein zischendes Atmen, das über das Schiff blies. Und er glaubte, ein Summen zu hören.
    Aber er konnte nicht unterscheiden, was davon real war und was Einbildung.
    Wenn man es recht bedachte, sollte er froh darüber sein.
    3
    Als Styles das nächste Mal hochfuhr, beschlich ihn eine unbestimmte Ahnung.
    Schwitzend und zitternd fiel er aus dem Bett, sein Kopf angefüllt mit einem knisternden Rauschen. Er fühlte sich schwach und schwindlig, aber er
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