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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
Autoren: Tim Curran
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schaffte es an Deck, und dort blieb er stehen, ans Schott gelehnt, und sah hinaus in den aschgrauen Nebel.
    Das Schiff fühlte sich leer an.
    Verlassen.
    Wie ein riesiger leerer Sarg, knarrend und ächzend, auf den sich der Nebel gesetzt hatte wie eine kränkliche Pilzwucherung, die in langen Fäden von Rahen, Masten und Bugspriet herabtropfte.
    Styles rief, doch seine Stimme verhallte im Nichts.
    Wieder war er allein.
    Allein auf einem Wrack in dieser verfluchten See.
    Sein Herz raste und sein Kopf drehte sich, aber er schaffte es zur Hauptkajüte – und sah sofort, dass man die Fenster verbarrikadiert hatte, als stehe ein Angriff bevor. Doch die Tür war unverschlossen. Drinnen schien alles in Ordnung zu sein – Karten und Instrumente, Möbel und Kleidung. Styles wankte von der Kajüte des Maats zu der des Kapitäns, und beide sahen aus, als seien ihre Besitzer nur kurz vor die Tür gegangen, um eine Pfeife zu rauchen.
    Er taumelte wieder zur Tür, und da hörte er Geräusche aus dem Nebel – ein Flüstern und Murmeln monotoner Stimmen. Ja, sie kamen nicht vom Schiff, sondern aus dem Nebel selbst, als näherte sich von dort ein Enterkommando. Doch diese Stimmen ... sie klangen nicht normal. Sie klangen flach und zischend und künstlich wie von einer zerkratzten Schallplatte, die einen Sprung hatte.
    Styles redete sich ein, dass sie nicht real sein konnten.
    Er wandte sich von den Stimmen ab und lehnte sich an den Kajüteneingang. Was immer die Besatzung des Schiffs geholt hatte – er wusste, jetzt holte es auch ihn. Aber er wollte sich nicht umdrehen, wollte nicht hinsehen, wollte dem Unheil nicht ins Antlitz schauen. Doch es kam, es näherte sich mit dem Geräusch von Schritten und einem Rascheln und Fingernägeln, die über Holz kratzten.
    Aber dann drehte er sich doch um, und ein Schrei entrang sich seiner Kehle.
    Da war nichts.
    Da war niemand.
    Und doch hörte er sie flüstern wie Gespenster. Hörte das Tappen ihrer bloßen Füße, das Rascheln ihrer Kleidung. Und dann erschien ein kaltes Licht im Nebel. Ein glühendes, vibrierendes Leuchten wie von einem bösen Auge, das ihn aus dem Nebel beobachtete.
    Styles rannte durch die Kajütentür, knallte sie hinter sich zu und verriegelte sie. Er wartete, wartete, spürte es kommen mit einer Hitze und einer kalten Elektrizität, die sich heiß und beißend und stinkend anfühlte. Jenseits der Tür und der verrammelten Fenster hüllten sich die Decks in ein phosphoreszierendes Leuchten, das mit seinem blendend grellen Licht das gesamte Schiff verschlang. Er hörte ein hohes, schrilles Jaulen, und was immer sich dort draußen befand, es kroch unter der Tür her und sickerte durch die Wände in einer Ausdünstung von Materie und zielstrebiger Boshaftigkeit. Und mit Feuer und Eis und Säure drang es in ihn ein.
    Er schrie nur einmal.
    Nur einmal, als es über ihn herfiel, ihn durchbohrte, mit heißen Nadeln und Messern in sein Gehirn eindrang und mit Diamantzähnen an seinen Gedanken nagte. Er spürte, wie sein Geist kochte und sich auflöste. Wie ein kalter, dampfender Saft aus seinen Augen und Ohren sickerte, als das Fleisch, das ihn beherbergt hatte, zu Asche zerfiel. Seine Knochen fielen trocken klappernd in einem rauchenden Haufen zu Boden.
    Dann gab es nur noch Stille.
    Auch wenn Styles sich den Namen des Schiffs nicht gemerkt hatte – die Geschichte tat es. Denn das Schiff trieb zurück aus dem Nebel, und die Menschheit sollte sich für immer an seinen Namen erinnern.
    Marie Celeste.

Teil Eins:
Der Nebel
    1
    Obwohl George Ryan sich nie zuvor an Bord eines Schiffs aufgehalten hatte – jedenfalls auf nichts Größerem als einem Ruderboot auf einem See –, wusste er gleich, dass ihm etwas an der Mara Corday nicht gefiel. Ein erfahrener Seemann hätte vielleicht gesagt, dass sie sich nicht richtig anfühlte. Aber George war kein Seemann. Er hatte nie in der Navy oder der Handelsmarine gedient, nur drei Jahre in der Army, sehr landverbunden, als einfacher Soldat in einem Pionierbataillon. Nur einmal hatte ihn ein sechswöchiger Einsatz in Edwards, Kalifornien, wo sie Rollbahnen neu asphaltiert hatten, in die Nähe des Meeres geführt. An den Wochenenden waren er und einige der anderen immer raus nach Ventura gefahren, um sich ein paar Tage lang mit Sonne, Wellen und Frauen zu vergnügen. Mehr nicht.
    Jetzt befand er sich zum ersten Mal auf See.
    Und Geld hin oder her – George nahm sich vor, dass es auch das letzte Mal sein würde.
    Sie hatten um sechs Uhr
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